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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Juni 2002; 05:41
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Schwarzblau/Prozesse/Materialien:

> Wer a Demonstrant is, bestimm i!

Nachstehendes ist eine Klage der Republik gegen "besorgte
BuergerInnen". In seiner zurueckhaltenden Art und sprachlichen
Schlichtheit ist sie so berueckend, dass wir sie Euch zumindest
in einer gekuerzten Fassung naeherbringen wollten:

*

FINANZPROKURATUR
1011 Wien, Singerstrsse 17 - 19

An das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, Riemergasse 4 und 7,
1010 Wien

Klagende Partei: Republik Oesterreich (Burghauptmannschaft
Oesterreich) 1010 Wien, Hofburg. Schweizerhof vertreten durch die
Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstrasse 17-19

Beklagte Partei: (Namen geloescht, d.Red.)

wegen: Besitzstoerung

Streitwert: (nach RATG): e 580,-

(nach GGG): e 630,-
 

BESlTZSTOeRUNGSKLAGE

1. Die - gemeinhin als "Heldenplatz" bezeichnete - Liegenschaft
EZ 1 steht im alleinigen grundbuecherlichen Eigentum der Republik
Oesterreich.

2. Gemaess § 22 BundesimmobilienG iVm Anlage B (GRZ 690.O05)
obliegt der Burghauptmannschaft Oesterreich die Verwaltung von
Hofburg und Heldenplatz. Sie ist daher als gesetzlicher Vertreter
der Republik Oesterreich aktiv klags- und antragsberechtigt.

3. Bereits unmittelbar nach Antritt der derzeitigen
Bundesregierung im Februar 2000 haben mehrere Personen auf
einem - dem Ballhausplatz zugewandten Grundstuecksteil des
Heldenplatzes eine "Botschaft besorgter Buerger" eingerichtet, um
ihren Protest gegen die neue Regierungskoalition zum Ausdruck zu
bríngen. Diese "Botschaft" war zunaechst in einem abgestellten
Kleinbus, dann in einem Container loziert.

4. Die Burghauptmannschaft Oesterreich hat die Aktivisten dieser
"Botschaft besorgter Buerger" mehrfach auf die Rechtswidrigkeit
der Besetzung eines privaten Grundstuecks hingewiesen und die -
von ihnen daraufhin erbetene - Einwilligung in die Benutzung
unseres Grund und Bodens ausdruecklich verweigert. Als die
Besetzung dennoch weiter forgesetzt wurde, hat sie mehrere
Anzeigen an die Sicherheitsbehoerden und den Magistrat der Stadt
Wien erstattet. Zu einem amtswegigen Einschreiten ist es bislang
jedoch nicht gekommen; die Besetzung wurde fortgesetzt, die
Fahrnisse sind bis zu unserem Einschreiten auf dem Heldenplatz
verblieben.

Nachdem trotz mehrmaligen Nachfragens keinen Eigentuemer des
Containers ermittelt werden konnte, hat die Burghauptmannschaft
Oesterreich den - zu diesem Zeitpunkt unbesetzten - Container
samt den darin befindlichen Fahrnissen am 24.4.2002 von befugten
Professionisten von Grund und Boden der Republik Oesterreich
entfernen und bei der HITTHALLER + TRIXL Baugesellschaft m.b.H.
fachgerecht einlagern lassen. Am ehemaligen Standplatz des
Containers wurden Plakate mit dem Hinweis affichiert, wo die
entfernten Fahrnisse gegen Nachweis der Eigentumsverhaeltnisse
und Ersatz der Kosten des durch die nicht genehmigte Aktion
entstandenen Aufwands abgeholt werden koennen. Bis zum heutigen
Tag haben sich freilich keine Eigentuemer gemeldet, sodass die
Annahme, bei Container und Fahrnissen handle es sich um
herrenloses Gut, wohlbegruendet ist.

5. Am 25.4.2002 haben die beklagten Parteìen begonnen, auf einem
anderen, naeher zur Neuen Hofburg gelegenen Grundstuecksteil des
Heldenplatzes mehrere Tische, Baenke und Campingbetten
aufzustellen, ueber denen sie Leintuecher und Planen zeltartig
angebracht haben. Diese Fahrnisse befinden sich somit seit
25.4.2002 ohne Einwilligung der Republik Oesterreich - und somit:
rechtswidrigerweise - auf dem Grundstueck der Republik
Oesterreich.

Die beklagten Parteien selbst halten sich immer wieder - einige
durchgehend, einige einander abwechselnd - auf dem in Rede
stehenden Grundstuecksteil des Heldenplatzes auf und begruenden
dies mit einer angeblichen Versammlungstaetigkeit. Gegen den
ausdruecklich erklaerten Willen und ohne Einwilligung der
Republik Oesterreich essen und trinken, schlafen und lesen die
beklagten Parteien auf dem Grund und Boden der Republik
Oesterreich; trotz mehrmaliger Aufforderung weigern sie sich, das
Grundstueck zu verlassen und die Fahrnisse zu entfernen.
Lediglich am 8.5.2002 mussten selbst die beklagten Parteien fuer
die Dauer des ueber den gesamten Heldenplatz verhaengten
Platzverbots ihr Camping unterbrechen. Mit 9.5.2002 wurde die
rechtswidrige Besetzung gegenstaendlichen Grundstuecks wieder
aufgenommen.

6. Durch dieses - ohne Zustimmung der Republik Oesterreich
erfolgte - Aufstellen bzw Ablagern von Fahrnissen und durch den
seit zumindest 8.5.2002 fortdauernden Aufenthalt auf
gegenstaendlichem Grundstueck stoeren die beklagten Parteien seit
24.4.2002 bzw 8.5.2002 die Republik Oesterreich in ihrem ruhigen
Besitz.

7. Die beklagten Parteien haben die bisherigen Aufforderungen,
das Grundstueck zu raeumen, immer wieder ihr vefassungsgesetzlich
gewahrleistetes Recht auf Versammlungsfreiheit entgegengehalten.
Diese Auffassung ist freilich in zweifacher Hinsicht verfehlt:

a. Essentialia einer verfassungsrechtlich geschuetzten
Versammlung sind, dass eine groessere Zahl von Menschen in der
Absicht zusammenkommen, Um "die Anwesenden zu einem gemeinsamen
Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen,
sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht"
. Die Grundrechtsordnung schuetzt daher nur
Augenblicksversammlungen, die einem gewissen manifestativen Ziel
dienen; keine geschuetzten Versammlungen sind: - bloss zufaellige
Ansammlungen von Personen ,

- das blosse Hochhalten von Protestplakaten (nur Information).

- Zusammenkuenfte mit einer Veranstaltungsdauer von zwei Tagen
oder mehr (eine tagelang ununterbrochen waehrende kollektive
Meinungsaeusserung ist unmoeglich.)

- Dauerveranstaltungen zum Zweck der Verhinderung politisch
unliebsamer Verhaltensweisen ,

- blosse Verkehrsblockaden (keine manifestative
Meinungsaeusserung).

- und das Aufstellen von lnfotischen ohne weitere Agitation
(blosse lnformation).

Fuer den vorliegenden Fall erweist sich daraus aber ganz ohne
Zweifel, dass die hier in Rede stehende Besetzung eines
Grundstuecksteils des Heldenplatzes durch die beklagten Parteien
keine Versammlung im Sinne von StGG und EMRK ist. Es mangelt der
Zusammenkunft nicht bloss an der erforderlichen groesseren Zahl
an Personen; es fehlt ihr auch die Augenblicklichkeit und
insbesondere die manifestativen Aeusserungen.

Ein verfassungsgesetzlich gewaehrleistetes Recht auf Camping ist
der oesterreichischen Bundesverfassung aber fremd.

An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu aendern.
dass die beklagten Parteien der Bundespolizeidirektion Wien als
zustaendiger Versammlungsbehoerde fuer den hier gegenstaendlichen
Teil des Heldenplatzes laufend "politische Kundgebungen"
anzeigen, die nahtlos aneinander anschliessen - und solcherart
die fortdauernde Besetzung unseres Grundstuecks ermoeglichen
sollen. Bei der Klaerung der Frage, ob eine Zusammenkunft nun
wirklich als Versammlung zu qualifizieren ist, kommt es namlich
nicht auf den angezeigten Tatbestand, sondern allein auf das
erkennbar geplante Geschehen an. Massgebend ist daher, ob eine
Gesamtbetrachtung die essentialia einer Versammlung erkennen
laesst, nicht aber, ob die beabsichtigte Zusammenkunft formal als
Veranstaltung angezeigt wurde.

Bemueht man sich um eine solche Gesamtbetrachtung, so kann kein
Zweifel daran bestehen, dass im vorliegenden Fall eine
verfassungsgesetzlich geschuetzte Versammlung nicht vorliegt: Die
angezeigten Versammlungen schliessen nahtlos aneinander an. Sie
werden zwar von nominell verschiedenen natuerlichen Personen
angezeìgt; alle Anzeigen erfolgen aber unter Verwendung des
gleichen (privat vorgefertigten) "Formulars". Dies zeigt vor dem
Hintergrund der bisherigen Geschehnisse und der Ankuendigungen
der beklagten Parteien, ihre Besetzung als einzelne Versammlungen
fortsetzen zu wollen, dass die angezeigten Zusammenkuenfte eben
keine Augenblicksveranstaltungen sind, sondern lediglich einer
dauerhaften Besetzung unseres Grundstuecks Vorschub leisten
sollen. Hinzu kommt, dass es bei diesen Zusammenkuenften zu eben
keinen manifestativen Aeusserungen kommt. Mehrere
Lokalaugenscheine haben ergeben, dass die beklagten Parteien
zumeist in oder vor ihrem Zelt sitzen und Buecher oder Zeitungen
lesen; es kommt weder zu Diskussionen noch zur Infofmatíon
voruebergehenden Passanten. Eine Versammlung im Sinne des Art 12
StGG oder des Art 11 EMRK liegt daher nicht vor.

b. Selbst wenn man aber - wie gezeigt werden konnte:
faelschlicherweise. vom Vorliegen einer Versammlung ausginge, so
gewaehrt doch selbst die Vefassungsgesetzlich gewaehrleistete
Versammlungsfreiheit nicht das Recht, ohne Einwilligung des
Eigentuemers fremde, nicht dem Gemeingebrauch dienende
Liegenschaften zu benuetzen. Die fehlende Genehmigung einer
solchen Benuetzung kann daher privatrechtliche Konsequenzen, wie
zB die vorliegende Besitzstoerungslage - nach sich ziehen.
Beweis: wie bisher.

8. Nur der Vollstaendigkeìt halber sei erwaehnt, dass sich die
beklagten Parteien auch nicht darauf berufen koennen, eine dem
Gemeingebrauch dienende Flaeche zu benutzen. Einerseits sind die
von den beklagten Parteien verwendeten Flaechen niicht dem
Gemeingebrauch gewidmet (hinsichtlich der Gruenflaechen am
Heldenplatz ist das Betreten allgemein untersagt), andererseits
geht das Aufstellen von Moebeln und das Campieren jedenfalls
ueber den Gemeingebrauch hinaus.

Wir beantragen daher den

ENDBESCHLUSS:

1. Die beklagten Parteien haben dadurch, dass sie am 25.4.2002
Fahrnisse auf der Liegenschaft EZ 1 Innere Stadt aufgestellt und
seit diesem Zeitpunkt dort belassen haben, die klagende Partei in
ìhrem ruhigen Besitz gestoert. 2. Die beklagten Parteien haben
weiters dadurch, dass sie sich seit 25.4.2002 bzw seit 9.5.2002 -
teils einander abwechselnd, teils durchgehend - auf nicht dem
Gemeingebrauch dienenden Teilen der Liegenschaft EZ 1 Innere
Stadt aufhalten, die klagende Partei in ihrem ruhigen Besitz
gestoert. 3. Die beklagten Parteien sind gegenueber der klagenden
Partei bei sonstiger Exekution schuldig,

a. sich jeder weiteren der ìn den Punkten 1. und 2. dieses
Endbeschlusses genannten Stoerungen zu enthalten und

b. binnen 24 Stunden den vorigen Zustand durch Entfernen der
abgelagerten Fahrnisse und Verlassen der Liegenschaft EZ 1 lnnere
Stadt wiederherzustellen.

4. Die beklagten Parteien sind gegenueber der klagenden Partei
zur ungeteilten Hand bei sonstiger Exekution weiters schuldig,
die Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Wien, am 22. Mai 2002

*

(Quelle: MUND)

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