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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Juni 2002; 04:29
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Prozesse/Der Polizei ist fad:

> Noch ein "Omofuma-Urteil"?

Der zufaellige Tod des Imre B.

Heute, am 4.6., findet im Bezirksgericht Fuenfhaus (1150 Wien,
Gasgasse 1 7) der Prozess gegen den Polizisten statt, der am 19.
Mai 2000 in Wien Imre B. im Zuge einer vermeintlichen
Drogenrazzia erschoss. Die bisherige Vorgangsweise von Polizei
und Justiz ist von Widerspruechen gekennzeichnet, darueber hinaus
war der mutmassliche Taeter Mitglied der Rambo-Polizeitruppe SEK
(Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst), die es mittlerweile nicht
mehr gibt. Angesetzt ist der Prozess am 4. Juni gerademal fuer 2
Stunden.

Der Staatsanwalt hatte zuerst "fahrlaessige Toetung" angeklagt,
in der Wiener Staatsanwaltschaft gab es grundlegende
Unstimmigkeiten, das Verfahren war kurz vor der Einstellung. Nun
aber gibt es doch einen Prozess gegen den Kriminalbeamten. Das
Justizministerium gab schliesslich doch gruenes Licht fuer einen
Strafantrag wegen fahrlaessiger Toetung.

Die Voruntersuchung gegen den Polizisten war in Richtung
"fahrlaessige Toetung unter besonders gefaehrlichen
Verhaeltnissen" gelaufen. Am Ende kam der zustaendige
Staatsanwalt offensichtlich zum Schluss, dass dem Beamten keine
Schuld nachzuweisen ist: er schlug die Einstellung des Verfahrens
vor. Die Oberstaatsanwaltschaft konnte sich dieser Sichtweise
allerdings nicht anschliessen. Nach genauer Pruefung der Sachlage
wurde der Vorhabensbericht "korrigiert" und dem Ministerium ein
Entwurf vorgelegt, weswegen sich der Beamte nun wegen
fahrlaessiger Toetung verantworten wird muessen. Die "besonders
gefaehrlichen Verhaeltnisse" wurden darin nicht aufrechterhalten.
Somit wurde der Strafrahmen von maximal drei auf hoechstens ein
Jahr Haft reduziert.

Die Erschiessung

Imre B. sass in seinem Auto als der Polizist versuchte, die
Chevrolet-Tuer zu oeffnen. Sie klemmte, und als sie aufging,
loeste sich im "Greifreflex" der Schuss aus der ungesicherten
Waffe, so die Version des Todesschuetzen. Die Waffe war uebrigens
nicht die Dienst-, sondern die Privatpistole des Beamten
Anschliessend ging der Schuetze nicht, wie ihm geraten wurde, auf
Urlaub, sondern fuehrte hoechstpersoenlich eine Zeugeneinvernahme
in diesem Fall durch. Vernommen wurde der Freund des
Erschossenen, gleichzeitig der einzige zivile Zeuge des Vorfalls,
der neben Imre B. im Auto gesessen war. Der einzige Tatzeuge
wurde also vom Taeter selbst einvernommen, bei der
Ersteinvernahme sagte jener, dass sich der Schuss ohne Absicht
geloest hatte. Vor dem Untersuchungs-Richter gab er spaeter
jedoch an, dass er und Imre B. sich vor dem Todesschuss durch
erhobene Haende quasi ergeben haetten.

Laut Innenminister Strasser war eine Betreuung des besagten
Beamten eingeleitet worden. Dem Mann sei es freigestellt worden,
Dienst zu leisten oder nicht. Er habe sich fuer Ersteres
entschieden und so in der Tat Einvernahmen von Zeugen der
"verunglueckten" Festnahme durchgefuehrt. "Aber nur in Bezug auf
Suchtgiftfragen", wie der Ressortchef betonte.

Wie das Wiener Magazin Falter unter Berufung auf einen
"sachkundigen Informanten" aus Polizeikreisen und einen Zeugen im
Juni 2000 berichtete, duerfte die Amtshandlung vollkommen anders
abgelaufen sein als offiziell dargestellt. Der Informant aus
Polizeikreisen wird mit den Worten zitiert: "Da wird den Medien
eine Variante praesentiert, die so nicht stimmen kann ... Glauben
Sie mir, diese Sache stinkt. Der Mann ist nicht so gestorben, wie
es die Polizei schildert. Da wurde gepfuscht. Der Erschossene
sass - linke Schulter links, rechte Schulter rechts - ganz normal
im Auto. Das wird ein ordentliches Nachspiel bei Gericht haben."
Der Zeuge habe die Abgabe des toedlichen Schusses so geschildert:
"Der Polizist hat gesagt: 'Bleib stehen Du Sau', auf das Auto
gezielt und dann abgedrueckt", so der Falter.

Den Verteidiger des Polizisten, Werner Tomanek, interessieren
Milderungsgruende nicht. Er will einen Freispruch, denn der
Todesschuss, so sagt er, sei "ein Bedienungsfehler" gewesen. Er
hatte bis zuletzt auf eine Verfahrenseinstellung gehofft.
Tomanek: "Der Polizist hat das gemacht, was er gelernt hat." Er
meint damit, sein Mandant habe die Waffe nicht besser im Griff
haben koennen, weil in Oesterreich nur 250 Schuss pro Jahr zur
Uebung fuer PolizistInnen vorgeschrieben sind. Mehr Schuesse sind
Privatsache. Und diese mangelhafte Ausbildung koenne doch wohl
nicht zu Lasten des Einzelnen ausgelegt werden. "Ihm ist nie
beigebracht worden, wie eine Waffe in gezogenem Zustand zu halten
ist", so Tomanek. Der Schuss habe sich ungluecklicherweise
geloest, als der Beamte mit seiner gezueckten Dienstwaffe
versuchte, die Tuer des PKW zu oeffnen, in dem der Verdaechtige
sass und augenscheinlich fluechten wollte, argumentiert der
Verteidiger. Sein Mandant habe "sicher nicht willkuerlich" die
Waffe betaetigt, sondern in einem "Greifreflex" den Abzug
betaetigt, was der Anwalt auf das "Ausbildungsdefizit"
zurueckfuehrte.

Das Projektil hatte - so der Wiener Polizeipraesident Peter
Stiedl im Juni 2000 - den Tuerholm des Wagens durchschlagen, ehe
es den am Steuer sitzenden Imre B. traf. Zu dem "Unfall" (Stiedl)
war es nach Darstellung der Polizei gekommen, nachdem B. die
Aufforderung zum Aussteigen missachtet hatte. Einer der mit
gezogenen Waffen dastehenden Beamten war dann von der sich
unvermittelt oeffnenden Tuer an der linken Schulter getroffen
worden. Der Polizist geriet in einen Drall und soll unabsichtlich
den Abzug betaetigt haben. Dass absichtlich geschossen wurde,
schloss Stiedl aus. "Die Situation bot keinen Grund fuer einen
Waffengebrauch. Die in solchen Faellen uebliche Untersuchung ist
anhaengig."

Der Wiener Rechtsanwalt Herbert Pochieser erklaerte schon im Juni
2000, es sei ausgeschlossen, dass sich aus einer Glock 17 (der
Dienstpistole der oesterreichischen Polizei) versehentlich ein
Schuss loese. Pochieser fuehrt seit 1993 ein
Amtshaftungsverfahren fuer einen Mandanten, der damals von einem
polizeilichen Projektil verwundet wurde, angeblich weil der
Polizist gestolpert sei. Im Fruehjahr 1999 sagte dazu
Bundesheer-Divisionaer Friedrich Dechant als Sachverstaendiger
aus: Bei der Glock 17 sei "eine Schussabgabe nur durch Betaetigen
des Abzuges" moeglich. Dechant selbst wirkte als Projektmanager
an der Entwicklung der Waffe mit: Bei "Tausenden Versuchen" habe
sich "in keinem Fall" selbsttaetig ein Schuss geloest. Es sei
denn, es waere das Abzugsgewicht falsch eingestellt gewesen. Doch
nach der Verwundung von Pochiesers Mandanten 1993 war dieses
Gewicht aber bei allen Wiener Dienstwaffen erhoeht worden.

Major Walter Schermann, Leiter des Waffenreferates der Wiener
Polizei, ebenfalls im Juni 2000: Die Abzugsbuegelsicherung der
Glock 17 verhindere eine Schussausloesung, "wenn man
versehentlich seitlich am Abzug ankommt. Man muss bewusst in den
Abzug greifen". Schermann grundsaetzlich: "Die wichtigste
Sicherung ist der Abzugsfinger. Man darf nur hineingreifen, wenn
man schiessen will. Der Geist des Beamten muss richtig
funktionieren - dann ist die Technik schon fast sekundaer."

Die SEK Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst

Die Spezialeinheit SEK war bereits mehrmals durch Uebergriffe in
die Schlagzeilen geraten. Mitglieder der SEK hatten bei einer
Hausdurchsuchung im Jahr 2000 eine Frau schwer verletzt. Das
Opfer, die Lebensgefaehrtin eines Afrikaners, wurde zudem
rassistisch beschimpft. Die SEK wurde am 1.2.2000 von den
Kriminalbeamten Georg Rabensteiner und Roland Fruehwirth im
Probebetrieb fuer vorerst 6 Monate gegruendet. Besonderes
Einsatzfeld dieser Truppe war laut Eigenbeschreibung "eine
Mischung aus Observation und Zugriff". Die SEK bestand aus 55
Beamten, die sich freiwillig und unbezahlt fuer diesen Dienst
meldeten und bereit erklaerten, rund um die Uhr auf Abruf bereit
zu stehen. Laut "profil 13/2000" handelt es sich bei den SEK-
Beamten teilweise um Beamte, die wegen zu rabiaten Auftretens
sogar aus der ohnehin beruechtigten WEGA (Wiener Einsatzgruppe
Alarmabteilung) geflogen sind. Der Oeffentlichkeit bekannt wurde
die SEK durch ihr Auftreten waehrend und nach der Anti-Opernball
Demo 2000, als sie vermummt und ohne sich auszuweisen,
Demonstranten auf dem Nachhauseweg verhafteten.

Die SEK wurde kurz nach dem toedlichen Schuss auf Imre B.
aufgeloest. Nachfolgeorganisation ist die sogenannte ZK (Zentrale
Kommandierung), ueber die es nur wenig Informationen gibt.

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Quelle und weitere Informationen:
http://www.no-racism.net/staatsrassismus/20_mai_00_mord.htm

Im Juni 2000 brachten die Gruenen eine parlamentarische Anfrage
zu diesem Vorfall und der Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst
(SEK) ein:
Anfrage:
http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XXI/J/texte/009/J00918_.html
Beantwortung:
http://www.parlament.gv.at/pd/pm/XXI/AB/his/009/AB00914_.html
 
 

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