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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. April 2002; 15:36
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Justiz/AIDS:

> Weiter Haftstrafen fuer Oralsex

"Safer Sex" soll rechtswidrig sein - FPOe-Minister uneins

Seit Jahren propagieren sowohl das Gesundheitsministerium als
auch die von ihm finanzierten Aids-Hilfen als wirksame
Praevention gegen eine Ansteckung mit Hiv "Safer Sex"-Regeln, die
neben der Verwendung von Kondomen beim Vaginal- und Analverkehr
auch die Hintanhaltung eines Samenergusses in den Mund des
Hiv-negativen Partners beinhalten. Die orale Befriedigung des
Hiv-negativen Partners durch den Hiv-positiven wird stets als
voellig risikolos praesentiert. Und bei oraler Befriedigung des
Hiv-positiven Partners durch den Hiv-negativen wird lediglich
empfohlen, nicht in den Mund zu ejakulieren, weil das
Ansteckungsrisiko dann rein theoretisch und nicht groesser sei
als bei Vaginal oder Analverkehr unter Verwendung von Kondomen.

Diese Verhaltensempfehlungen entsprechen jenen in der
Bundesrepublik Deutschland, in den USA und von UNAIDS, wobei
UNAIDS sogar Oralverkehr mit Ejakulation in den Mund den Vorzug
vor Analverkehr mit Kondomen gibt. UNAIDS lehnt es gerade im
Interesse einer effektiven Hiv-Praevention mit Nachdruck ab,
Safer-Sex-Kontakte unter Strafe zu stellen.

*Urteil: Ein Jahr Haft*

Dessen ungeachtet musste ein Hiv-positiver Mann im Vorjahr eine
mehrmonatige Haftstrafe unter anderem deshalb verbuessen, weil er
die Verhaltensmassregeln des Bundesministeriums fuer soziale
Sicherheit und Generationen und der von ihm finanzierten
Aids-Hilfen befolgte.

Der heute 34jaehrige Mann wurde im Juli 1999 durch das
Landesgericht Klagenfurt zu einem Jahr Freiheitsstrafe
verurteilt, weil er als Hiv-positiver Mann mit anderen Maennern
sexuelle Kontakte (Oral - und Analverkehr) hatte. Die
Verurteilung beruhte ausschliesslich auf der Aussage des
Verurteilten, in der dieser angegeben hatte, dass er mit seinen
Partnern stets Analverkehr mit und Oralverkehr ohne Kondom hatte.
Diese Aussage wurde von einem seiner Partner bestaetigt. Andere
Beweisergebnisse gab es nicht. Dennoch verurteilte das Gericht
den Mann nicht nur - aktenwidrig - wegen Analverkehrs ohne Kondom
sondern auch wegen Oralverkehrs ohne Kondom.

Das Gericht qualifizierte auch Oralverkehr ohne Kondom generell
(auch ohne Samenerguss in den Mund) als Handlung, die geeignet
ist, die Gefahr der Verbreitung von uebertragbaren Krankheiten
herbeizufuehren und verurteilte den Mann demgemaess auf Grund des
§ 178 des Strafgesetzbuches ("Vorsaetzliche Gefaehrdung von
Menschen durch uebertragbare Krankheiten"). Dies obwohl
Oralverkehr ohne Kondom (bei Durchfuehrung des Oralverkehrs an
dem Hiv-Positiven: ohne Samenerguss in den Mund) den von den
oesterreichischen Gesundheitsbehoerden und Aids Hilfen
propagierten Verhaltensregeln (Safer Sex) entsprechen.

Einen seiner Partner hat der Verurteilte sogar lediglich selbst
oral befriedigt und auch darin sah der Richter die Gefahr der
Uebertragung des Hi-Virus (!) und damit den § 178 StGB als
erfuellt an. Die Strafe: ein Jahr Gefaengnis, davon drei Monate
unbedingt.

Der Verurteilte verzichtete auf Anraten seines damaligen
Verteidigers, der ein Rechtsmittel fuer aussichtslos hielt.

*Haupt vs. Boehmdorfer*

In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der gruenen
Justizsprecherin Terezija Stoisits liess Justizminister
Boehmdorfer wissen, dass er weder gegen die Verurteilung noch
gegen die verhaengte Strafe etwas einzuwenden habe. Selbst eine
Begnadigung kommt fuer ihn nicht in Frage. Boehmdorfer im
Originalton: "Wer solcherart die Gesundheit der Bevoelkerung
vorsaetzlich gefaehrdet, begeht zweifellos einen gewichtigen
Rechtsverstoss und offenbart damit ein Persoenlichkeitsbild, das
eine gewisse Gleichgueltigkeit gegenueber dem Leben, der
Gesundheit und der sozialen Lage anderer zutage bringt. In einem
solchen Fall faellt es schwer, die Gnadenwuerdigkeit des
Verurteilten positiv zu beurteilen". Eine Gesetzesaenderung sei
ebenfalls nicht notwendig. Die Propagierung des Oralverkehrs ohne
Kondom als Safer-Sex-Praktik durch das Gesundheitsministerium und
die Aids-Hilfen sei aber nicht als Beihilfe oder Anstiftung zu
werten.

Gesundheitsminister Haupt erklaerte nun aber, wieder auf Anfrage
der Abgeordneten Stoisits, dass in solchen Faellen kein
Infektionsrisiko bestehe und die Safer-Sex-Regeln daher nicht die
obligatorische Verwendung von Kondomen empfehlen. Haupt kuendigte
an, Boehmdorfer entsprechend zu informieren. *Rechtskomitee
LAMBDA/bearb.*

Kontakt: Rechtskomitee LAMBDA, 01/8763061, office@RKLambda.at;
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