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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. April 2002; 16:29
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Schwarzblau/Fremd unter Fremden/Recht:

>Die Rueckkehr der Koerpervermesser

Eine breit gefuehrte Expertendiskussion hat vor zwei Jahren die
Praxis von Handwurzelroentgen zur Altersfeststellung bei
minderjaehrigen Schubhaeftlingen als rechtlich unzulaessig und
fachlich unbrauchbar ad acta gelegt. Auf scharfe Kritik von
SOS-Menschenrechte stoesst daher, dass sich Innenminister
Strasser genau dieses Handwurzelroentgen nun von den
Freiheitlichen in den Begutachtungsentwurf zum neuen
Fremdengesetz schreiben liess - entgegen den Empfehlungen des
Menschenrechtsbeirates und den Entwuerfen seiner Beamten.

Mit der Formulierung in §95 (5) des neuen Fremdengesetzes "Auf
Wunsch des Fremden ist auf seine Kosten ein Handwurzelroentgen
anzufertigen" sollen minderjaehrige Schubhaeftlinge und
Roentgenfachaerzte zu gesetzwidrigem Handeln verpflichtet werden.
Als waere es noch nicht skandaloes genug, dass auch mit dem neuen
Fremdengesetz in Oesterreich weiterhin Minderjaehrige in
Schubhaft angehalten werden, sollen diese mittellosen
Jugendlichen nun mit ebenso rechtswidrigen wie untauglichen
Mitteln ihre Minderjaehrigkeit "beweisen" - wenn sie dafuer ein
Roentgen und Sachverstaendigengutachten ab EUR 1.000,- zahlen
koennen.

Der Menschenrechtsbeirat hat bereits in seinem Bericht
"Minderjaehrige in Schubhaft" vom Juli 2000 explizit empfohlen,
"von einer Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen der
Altersfeststellung mit Hilfe von medizinischen Methoden
insbesondere unter Anwendung ionisierender Strahlenuntersuchungen
Abstand zu nehmen".

Aus gutem Grund: Ein Handwurzelroentgen im fremdenrechtlichen
Verfahren verstoesst gegen §4 Abs.2 Strahlenschutzgesetz, wonach
ionisierende Strahlen ausschliesslich fuer medizinische Zwecke
angewendet werden duerfen. Die Altersabschaetzung von
Schubhaeftlingen dient keinem medizinischen Zweck.

Das Verfahren des Handwurzelroentgens liefert fuer die
entscheidende Fragestellung - noch minderjaehrig oder nicht -
zudem viel zu ungenaue Werte. Es hat nur eine Aussagekraft bis
zum 17. Lebensjahr bei maennlichen und bis zum 15. Lebensjahr bei
weiblichen Jugendlichen mit einem Spielraum von bis zu
zweieinhalb Jahren. Ein 17-jaehriger Jugendlicher kann daher
anhand des Handwurzelroentgens ebenso auf gute 15, wie auf ueber
18 - und damit volljaehrig - geschaetzt werden.

*Beamten-Entwurf: "im Zweifel minderjaehrig"*

Der Beamten-Entwurf zu § 95 hat dem richtigerweise Rechnung
getragen und stattdessen das Prinzip "im Zweifel minderjaehrig"
wie folgt formuliert: "Behauptet ein Fremder, ein bestimmtes
Lebensjahr noch nicht vollendet zu haben und daher minderjaehrig
zu sein, so ist - ausser im Falle offenkundiger Unrichtigkeit -
bis auf weiteres von seiner Behauptung auszugehen. Kann diese in
der Folge nicht entkraeftet werden, so gibt die Aussage des
Betroffenen in der Vernehmung den Ausschlag."

Nach Abschluss der FPOe-OeVP-Verhandlungen zum neuen
Fremdengesetz war im Begutachtungsentwurf anstelle "im Zweifel
minderjaehrig" nun eine Beweislastumkehr zu finden. Zur Klaerung
des Alters eines Fremden "kann insbesondere auch ein Amtsarzt
hinzugezogen werden. Auf Wunsch des Fremden ist auf seine Kosten
ein Handwurzelroentgen anzufertigen."

Die Anfertigung eines Handwurzelroentgens zur Klaerung des Alters
in einem Verwaltungsverfahren ist rechtswidrig, unabhaengig ob
von Amts wegen oder auf Wunsch des Minderjaehrigen. Die
Fremdenbehoerden duerften in ganz Oesterreich wohl kaum
Radiologen finden, die bei dieser gesetzwidrigen Praxis mitmachen
und durch das Risiko von Anzeigen ihren guten Ruf aufs Spiel
setzen wuerden.

Besonders perfid ist die mit der Beweislastumkehr verbundene
Kostenfrage. Nicht nur, dass mit dem vorliegenden Entwurf des
Fremdengesetzes weiterhin Jugendliche in Schubhaft angehalten
werden koennen, sollen sie die Kosten eines rechtswidrigen
Handwurzelroentgens zum Nachweis ihrer Minderjaehrigkeit nun
selbst tragen - auch wenn alle Experten wissen, dass
Minderjaehrige in Schubhaft in der Regel mittellos sind.
(SOS-Menschenrechte/gek.)

Kontakt: SOS-Menschenrechte, Tummelplatz 5/2, A-4010 Linz;
Tel.: 0732/ 777 404 Fax-Dw. 4; http://www.sos.at ; ecker@sos.at
 
 

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