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Aussendungszeitpunkt:  Dienstag,  22.01.2002
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Recht/FPOeVP:

>"Regierung soll Haider anklagen"
Unilektor beantragt bei Regierung Verfahren vor VfGH

Die Bundesregierung und der Kaerntner Landtag bekamen dieser Tage
Post. In einer Sachverhaltsmitteilung, verfasst vom Wiener Anwalt
Karl Newole, hat der Klagenfurter Universitaetslektor Reinhard
Kacianka die Bundesregierung aufgefordert, gegen Landeshauptmann
Joerg Haider vorzugehen.

"Die Bundesregierung soll bewogen werden, Anklage gegen Haider
vor dem Verfassungsgerichtshof (VfgH) zu erheben", erlaeutert
Newole. Der VfGH werde bei dieser "oesterreichischen Variante des
Impeachments" in seiner Funktion als Staatsgerichtshof
angerufen - ein Vorgang, den es in der Geschichte des VfGH erst
dreimal gegeben habe: "Zuletzt wurde in den 80er-Jahren im Fall
des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer festgestellt,
dass er rechtswidrig gehandelt hat, weil er die Geschaefte am 8.
Dezember offen liess." Bei Haider waeren die akuten Anlassfaelle
seine deklarierte Weigerung der VfGH-Entscheidung ueber die
Zweisprachigkeit der Ortstafeln sowie seine rechtswidrige Weisung
, wonach slowenische Ortsbezeichnungen auf
Autobahn-Hinweisschildern in Kaernten "eingedeutscht" werden
sollen.

Mit diesem Antrag auf Anklageerhebung muesse Kaciankas Ansicht
nach nun die Regierung "Farbe bekennen, wie sie den Umgang
Haiders mit der Verfassung beurteilt. Die Regierung als
Kollegialbehoerde im Rahmen der Vollziehung waere - wenn ihr
Anklageberechtigung zukommt und sie einen Gesetzesverstoss
sieht - verpflichtet, taetig zu werden. Sie steht sonst selbst im
Kreuzfeuer eines moeglichen Amtsmissbrauches."

Die weiteren Vorwuerfe gegen Haider reichen von uebler Nachrede
bis zur Aufforderung zum allgemeinen Ungehorsam gegen ein Gesetz.
*Der Standard, 10.1./MUND 17.1./akin*

Naeheres (incl. einem Unterstuetzungsformular fuer die Aktion)
findet sich im MUND vom 17.1.01:
URL W³.no-racism.net

***

Kommentar:

> Wo kein Klaeger, da kein Richter

Die Bundesregierung wird aus verstaendlichen Gruenden kaum ein
Verfahren gegen Haider anstrengen. Wobei auch fraglich ist, ob
eine solche Klage beim VfGH durch die Bundesregierung ueberhaupt
in ihrer Funktion als Kollegialbehoerde passieren muesste -
wodurch tatsaechlich die Anzeigepflicht durch Behoerden im Falle
von Straftaten gemaess §84 StPO zum Tragen kaeme - oder dieser
Akt nicht sowieso eine Angelegenheit ist, die der politischen
Verantwortung des Ministerrats obliegt - woraus sich eben keine
Pflicht zur Klage ergaebe.

Sollten rechtliche Autoritaeten dennoch zur Ansicht kommen, dass
die Bundesregierung zu einer solchen Klage gegen Haider
verpflichtet waere, wuerde auch nicht viel passieren. Denn bei
einer Weigerung dieser Regierung wuerde sich diese zwar ebenfalls
nach Art. 142 B-VG klagbar machen, nur gibts halt auch hier
keinen Klaeger. Denn ein entsprechendes Verfahren gegen die
Bundesregierung kann nur der Nationalrat per Beschluss
einleiten - was natuerlich ein Witz ist, da der Nationalrat die
Regierung ja sowieso per Misstrauensantrag absetzen koennte und
dieser Nationalrat diese Regierung ja will. Hierin ist sicherlich
eine der Unzulaenglichkeiten unserer Verfassung zu sehen, aber
das aendert nichts daran, dass es halt dort so geschrieben steht.
Diese Bestimmungen sind so gestrickt, dass in einem Falle des
Dissenses zwischen den Autoritaeten eine rechtliche Handhabe
vorhanden ist - und nicht, um von unten den Rechtsstaat
einzumahnen.

Sollte es also trotz all dieser dennoch zu einem Verfahren gegen
Haider kommen, muesste das Gericht schon vollinhaltlich der
Aufforderung Kaciankas folgen: Amtsenthebung plus Verurteilung
wegen Uebler Nachrede, Beleidigung, Aufforderung zum Ungehorsam
gegen die Gesetze und Verhetzung - und Haider ausserdem noch zum
befristeten Verlust der politischen Rechte verdonnert wird; was
den Groefaz tatsaechlich laengere Zeit aus dem politischen
Verkehr ziehen wuerde.

Alles andere - beispielsweise eine pure Feststellung der
Rechtswidrigkeit, aehnlich wie in der oberwaehnten Causa
Haslauer - waere jedoch kontraproduktiv und braechte Haider
prompt wieder einmal in die Lage, sich als Opfer des Staates zu
gerieren. Die FPOe-Basis wuerde die jetzige formale Spitze - die
Haider im Ministerrat ja mitangeklagt hatte - abwaehlen und ihren
alten Fuehrer reinstallieren. Und dieser koennte nach vier Jahren
Regierungsbeteiligung glatt wieder als Oppositionsheld in die
naechsten Wahlen gehen.

Daher bleibt leider nur zu hoffen, dass diese Initiative, so gut
sie auch gemeint sein mag, keinerlei Rechtsfolgen nach sich
ziehen wird.

*Bernhard Redl*

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