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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Dezember 2001; 16:24
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FPOeVP/Deren Heer/Kommentar:

> Regierungserklaerung hinterm NATO-Draht

Letzte Woche beschlossen die Koalitionsparteien einsam ihre neue
"Sicherheitsdoktrin" im Verteidigungsausschuss


Irgendwie ist es schon ein recht eigenartiges Dokument, diese
"Sicherheitsdoktrin". "Verteidigungsdoktrin" hiess das frueher,
den meisten Leuten fallen da so Begriffe ein wie
"Raumverteidigung" oder Namen wie Spanocchi. Doch diese
Sicherheitsdoktrin heisst nicht nur so, sie setzt auch deutlich
andere Akzente. So wird zum Beispiel die Polizei gleichrangig in
dieser Doktrin behandelt - was durchaus auch als eine Andeutung
auf eine angestrebte Verschmelzung der beiden Institutionen
hindeuten koennte (Stichwort: Sicherheitsministerium). Ueberhaupt
geht das Papier, dessen rechtliche Bedeutung nicht nur wegen
seiner lediglich einfachgesetzlichen Beschlussfassung aeusserst
gering sein wird, eher in die Richtung einer
Halbzeit-Regierungserklaerung mit dem Schwerpunkt Militaerpolitik
als zu einer Richtlinie fuer die massgeblichen Militaerbeamten.

Vor allem die "allgemeinen Empfehlungen" gleich zu Anfang dieses
wunderlichen Papiers wirken eher bedrohlich. Es kann kein Zufall
sein, dass da gleich in Punkt 1 davon die Rede ist, dass die
oesterreichische Bevoelkerung "ueber die Sicherheitslage im In-
und Ausland umfassend und laufend informiert" werden soll. Soll
heissen: Propaganda hat oberste Prioritaet. Punkt 7 macht
hingegen etwas ratlos: "Zur Gewinnung und Vermittlung einer
umfassenden sicherheitspolitischen Expertise ist die Einfuehrung
eines postgradualen strategischen Fuehrungslehrganges fuer
Entscheidungstraeger in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und
Militaer einzufuehren." Was soll das sein? Die Ausbildung zum
Reserve- oder gar Hobbyoffizier fuer nichtausgelastete
Fuehrungskraefte - oder vielleicht doch ein Versuch, die hoeheren
Ebenen auch der zivilen Struktur fuer ein militaerisches Denken
zu gewinnen? Es hat sehr den Anschein, als versuchte diese
Bundesregierung dem Militaer mehr Bedeutung zu geben als es
bisher hatte - mit oder ohne NATO.

Apropos NATO: Diesbezueglich wird die Salami-Taktik fortgesetzt.
Da finden sich im Kapitel "Aussenpolitische Aspekte der
Sicherheitspolitik"so schoene Halbsaetze wie: "Fortsetzung des
traditionellen oesterreichischen Engagements in multilateralen
Institutionen, wie UNO, UN-Spezialorganisationen, OSZE,
NATO-PfP/EAPC und Europarat." Mir ist das Traditionelle an der
Beteiligung an der NATO-"Partnerschaft fuer den Frieden" seit
1995 bislang nicht aufgefallen. Aber vielleicht liegt diese
Nennung weniger in unserer modernen Schnelllebigkeit, sondern
eher daran, dass man die Einstiegsdroge PfP gerne irgendwie
zwischen UNO und Europarat schmuggeln wollte. Das Wort
"Neutralitaet" hingegen taucht im ganzen Dokument nicht auf -
nicht mal mehr als ueberholtes Konzept. Man scheint einfach statt
dem Abmurksen der Verfassungsbestimmung ein sanftes Entschlafen
hin zu totem Recht zu befuerworten: " Der Erweiterungsprozess der
NATO wird als ein Beitrag zur Foerderung von Sicherheit und
Stabilitaet in Europa begruesst und liegt auch im
sicherheitspolitischen Interesse Oesterreichs. Der sicherheits-
und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird
von Oesterreich im Lichte der sicherheitspolitischen
Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitrittsoption im Auge
behalten. Ein Beitritt zur NATO wuerde nur mit Zustimmung der
Bevoelkerung (Volksabstimmung) erfolgen." Im Zusammenhang mit dem
Vorhergesagtem wird klar, was das heisst: Hinein in die NATO,
aber zerst muessma noch unsere Propagandamaschine hochfahren und
dann, wenn die Umfragen guenstig sind, lassma abstimmen - Modell
EU-Beitritt also.

Der eher stiefmuetterlich behandelte, eigentlich militaerische
Teil stellt zwar fest, dass ein "existenzbedrohender
konventioneller militaerischer Angriff gegen Oesterreich [...]
derzeit nicht abzusehen ist", schliesst daraus aber messerscharf,
dass so ziemliche alle Teile des Bundesheeres ausgebaut werden
muessen - die NATO kommt zwar in diesem Kapitel nicht explizit
vor, aber ohne einen Beitritt wuerden dieses Ausbaumassnahmen
nicht viel Sinn machen. Der Umbau allerdings auf ein reines
Berufsheer, wie es viele hochtechnisierte NATO-Armeen heute schon
kennen, ist kein Thema. War frueher immer ins Treffen gefuehrt
worden, man koenne aus demokratiepolitischen Erwaegungen nicht
auf den Milizgedanken verzichten, so sagt man heute: "Die
derzeitigen Rahmenbedingungen erfordern die Abdeckung des
gesamten militaerischen Aufgabenspektrums, was personell nur
durch die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht
bewaeltigt werden kann." Sprich: Billige, arbeitsrechtlich nicht
abgesicherte Zeitsklaven sind einfach billiger; was vielleicht
endlich mal ein einigermassen ehrliches Wort dieser Regierung
ist. Neben der Miliz soll aber sehr wohl noch der
Berufssoldatenbereich ausgebaut werden.

Was das Kapitel "Innere Sicherheit" angeht, so kennen wir das ja
alles schon: Innere Sicherheit ist, wenn man "der Schlepperei,
dem Menschenhandel und der illegalen Migration" vorbeugt - was
auch klar macht, dass der Menschenhaendler auch weiterhin auf
eine Stufe mit dem Migranten gestellt wird und fuer beide
gleichermassen die Polizei zustaendig ist. Auch das Begehren nach
besserer Datenverarbeitung und auch -austausch mit anderen
Polizeibehoerden ist nicht wirklich neu.

Bezeichnend fuer das ganze Dokument ist wohl auch der Punkt 11
dieses Kapitels: "Vorbereitung, Schulung und gegebenenfalls
Entsendung von zivilen Spezialisten (Verwaltungsbeamte, Richter,
Staatsanwaelte usw.) im Rahmen des internationalen zivilen
Krisenmanagements zur Unterstuetzung der Herstellung
rechtsstaatlicher und demokratischer Verhaeltnisse." Tu felix
austria, verwalte. Dass man in Krisenregionen vielleicht Menschen
brauchen koennte, die in der Lage sind, zu unterrichten,
psychologische Betreuung zu leisten oder sozialarbeiterisch
taetigen zu sein, darauf kommen sie in 100 Jahren nicht.

Alles in allem: Wappnet Euch, liebe Oesterreicherinnen und
Oesterreicher, zum Krieg, dann ist der Frieden gesichert.

Das Motto ist alt. Gut war es aber deswegen noch nie. *Bernhard
Redl*


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