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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. September 2001;
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Australien und Umgebung: > Nicht weiss genug fuer"Seemannsnot"
Die "illegalen Fluechtlinge" in den
australischen Bundeswahlen
Vor Jahresende muss sich die
Regierung in Canberra den Waehlern stellen.
Premierminister
Howard verschiebt diesen Termin so lange wie moeglich, weil ohne
ein
Wunder die konservative "Liberal-National" Koalition diese
Wahl verlieren wuerde,
weil sie bis jetzt weitgehend mit der von
ihnen eingefuehrten verhassten
Verbrauchersteuer (Goods and
Services Tax) identifiziert wird.
Die Konservativen haben in
letzter Zeit nicht nur jede Landeswahl (State Election),
sondern
auch fast alle Sonderwahlen (fuer freigewordene Parlamentssitze
z.B.)
verloren. Labor kam an die Macht in fuenf der sechs Laender
und ganz unerwartet jetzt
auch in Darwin, dem "Northern
Territory", bisher permanent in den Haenden
der
Rechten.
Um in dieser Vorwahlperiode der
Howard-Regierung das Leben noch schwerer zu machen,
brach Ian
Macfarlane, einer ihrer Minister, das elfte Gebot: Er wurde bei
einer
kleinen aber unfeinen Steuerhinterziehung erwischt und
Labor verlangte lautstark
seinen Ruecktritt. Alles schaute
wirklich schlecht aus fuer die konservative
Regierung.
Und
da geschah etwas, das Premierminister John Howard gerade recht kam:
Der
norwegische Frachter Tampa, unterwegs von Australien nach
Singapur, rettete auf
offener See 438 Menschen von einem
sinkenden Kahn. Das Holzboot, auf dem Weg von
Indonesien zu
Christmas Island (Australien), wurde zuerst von einem Flugzeug
der
Australischen Kuesten-wache gefunden. Auf das SOS sendete die
Australische "Search
and Rescue"-Organisation einen "Mayday-Ruf
an alle". Drei Schiffe antworteten.
Die Norweger kamen zuerst
an. Und retteten alle 438 Menschen von dem sinkenden
Kahn:
Seemannspflicht und normalerweise eine lobenswerte
Heldentat. In Canberra aber
vielleicht eine Rettungsboje fuer die
sinkende Howard-Regierung. Es waren ja nicht
"Menschen", sondern
"Moechte-gern-Asylanten", politische Fluechtlinge und noch
dazu
meist aus Afghanistan, Irak, Iran, Braune, kaum Weisse...und
Arme.
Regierungschef Howard spielt jetzt gross den
Verteidiger Australiens: vor den dunklen
Horden Asiens,
Mohammedanern, illegalen Immigranten. Die Menschen an Bord der
Tampa,
jetzt vor Christmas Island, sollen drauf bleiben, nach
Indonesien verschickt werden,
oder sogar bis nach Norwegen. Er,
Howard, wird sie aber keineswegs ins Land lassen.
Der Kapitaen
der Tampa bittet um Hilfe, sein Frachter kann keineswegs
438
"Passagiere" versorgen. Unwichtig, meint Howard: "Wir werden
ihnen einen Arzt
schicken", humanitaere Hilfe leisten, aber wir
erlauben nicht, dass diese "Illegalen"
unser Land
betreten.
Howard der Held, der Verteidiger Australiens! Das
sollte Stimmen bringen. Die
Steuer-schwindeleien von Minister
Macfarlane sind inzwischen spurlos vergessen.
Der Fuehrer der
Labor Party Kim Beazley stellt sich hinter Howard: "Wir
unterstuetzen
die Regierung in der Sache der Tampa. Sie handelt
gemaess unserer internationalen
legalen Verpflichtung. Der
(sinkende) Kahn war in der Indonesischen Zone, daher
sollen die
Leute nach Indonesien." Nur nicht hier bleiben!
Beazley hat
Angst, dass er mit einer anderen Haltung die Stimmen der "stummen
Massen"
verlieren wuerde, die man als total auslaenderfeindlich
vermutet. Aber auch so
schadet sich Labor in Konkurrenz mit der
Rechten, denn warum die ALP (Labor) waehlen,
wenn sie versucht,
sich als "Another Liberal Party" darzustellen?
Die zwei
kleineren Linksparteien (Democrats und Gruene), nur im
Bundessenat
vertreten, nehmen eine starke Position fuer die
"Menschlichkeit" ein.
Die Labor-Fuehrung windet sich wie ein
getretener Wurm zwischen der Notwendigkeit
sich zu profilieren
und ihrem Glauben, dass "das einfache Volk" jede
"menschliche"
Politik gegenueber Asylanten ablehnt.
Nur
ist diese Rechnung nicht ganz sicher. Ist das Australische Wahlvolk
wirklich so
rassistisch?
Vor zwei Wochen ging das
"Northern Territory" zu den Urnen. Seit 1976, d.h. seit es
in
Darwin ueberhaupt ein gewaehltes Parlament gibt, regiert dort die
konservative
CLP. Sie blieb unangetastet an der Macht durch eine
Mischung von Filz und
Rassenhetze.
Ganz unerwartet hat
sich die lokale, territoriale Labor-Fuehrung diesmal
entschieden
gegen diese Propaganda gestellt und hat 13 der 25
Sitze (vorher hatte Labor 7) und
die Regierung in Darwin
gewonnen. Die "Territorians" jedenfalls sind gar nicht
so
rassistisch wie man dachte!
Und jeder, den ich bis
jetzt hier befragte, hat Mitleid mit den Menschen auf der
Tampa,
und Verachtung fuer Howard.
Und was sagt die
Matrosengewerkschaft (MUA) dazu? "Diese Politik ist fuer uns,
fuer
alle Seefahrer, sehr gefaehrlich. Wir koennten das naechste
Mal selbst dran sein.
Rettungsaktionen sollten geehrt, nicht
bestraft werden. Soll ein Kapitaen die Leute
ersaufen lassen, nur
weil sie nicht weiss genug, nicht reich genug sind?"
*Max
Watts, Annandale*
***
Kasten: Ab nach
Nauru!
> Wie man sich eines Problems entledigt
In
Australien werden viele "Asylsucher" bei ihrer Ankunft eingesperrt
und in mit
Stacheldraht umzingelten Lagern oft fuer Monate,
manchmal sogar mehrere Jahre,
eingesperrt. Und dies, obwohl
zwischen 75 und 90% dieser "Asylanten" - insbesonders
aus
Afghanistan oder Iraq, schliesslich die gesetzliche Pruefung
"ueberwinden" und
als Fluechtlinge anerkannt werden, in
Australien legal bleiben koennen. Aber waehrend
den oft
langwierigen Prozeduren vor dieser Anerkennung bleiben sie, wie
gesagt
anscheinend bis jetzt nur in Australien
eingesperrt.
Auch manche deren Annerkennung als politische
Fluechtlinge verweigert wird, koennen
nicht leicht zu ihren
"Heimatslaendern" deportiert werden - Australien hat
kein
diplomatische Beziehung zu Afghanistan und seit dem
Golfkrieg auch keine mehr zum
Irak. Palaestinenser wurden
manchmal nach Syrien verschickt, wo sie anscheinend
prompt wieder
eingesperrt worden sind. Obwohl ihnen Arafats
halb-anerkannte
Vertretung in Canberra palaestinensische Paesse
ausstellt, verweigert Israel, das die
Grenzen kontrolliert, die
Einreise.
Doch Australien hat jetzt eine neue Methode
entdeckt: den Export von Fluechtlingen.
Dazu Damian Lawson,
Vertreter der australischen Sektion von "No one is
Illegal":
"Howard ganze 'Tampa'-Politik ist nur
Vorwahl-Propaganda. Wahlweise vielleicht sehr
effektiv, aber es
aendert nichts an der grundsaetzlichen Lage. Auch die
Geschichte,
die Australische Kriegs Flotte vor der Kueste
Indonesiens zu stationieren um die
Asylanten-Boote bei ihrer
Abfahrt dort abzufangen ist totaler Quatsch - was macht man
dann
mit ihnen?
Aber Howard und Co. haben einen Plan: Sie wollen
die Asylanten-Lager, die bis jetzt
auf australischem Boden sind
in die Nachbarlaender exportieren - zum Beispiel nach
Nauru.
Nauru ist pleite, ruiniert. Diese 25 Quadratkilometer grosse Insel
ist
(insbesonders jetzt, nachdem das Phosphat - dessen Export
einst das Reichtum Nauru's
sicherte - jetzt erschoepft ist, aber
dessen Raubabbau eine sterile Mondlandschaft
hinterlassen hat)
total von Australien abhaengig. Die Nauru-Regierung laesst dort
das
erste Australische Auslandslager aufstellen, und wird dafuer,
von den Australischen
Steuerzahlern, etwas abkriegen. Aber Nauru
ist sehr klein, und keineswegs auf dem
Wege der Immigranten. Dass
kann nur ein erster, provisorischer Versuch sein.
Howard
denkt: 'Indonesien braucht auch Geld. Mit genuegend Dollars koennten
wir die
dortige Regierung dazu bringen, die Asylsucher
abzufangen, und in Lager auf
Indonesischem Boden einzusperren.
Wenn die Bedingungen dort hart sind, sagen wir: Wir
wollen diese
Leute doch entmutigen, dass schadet nicht. Ob und wann die Bitte
der
Fluechtlinge nach Asyl, dort verarbeitet werden, ist dann
nicht mehr unser Problem.'
Jedenfalls gehen wir da zurueck zu
einer alten Australischen Tradition: Schliesslich
wurde auch
dieses Land als eine Gefaengnisskolonie gegruendet. Warum sollten
nicht
unsere Nachbaren da etwas von uns lernen!"
*M.W.*
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