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Aussendungszeitpunkt: 28.06.2001 -15:04
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Aegypten:

>Schwierige Zeiten

Die 70-jaehrige international renommierte Feministin, Autorin, Aerztin
und Menschenrechtsaktivistin Nawal EI Saadawi.  hat schwere
existentielle Probleme im eigenen Land. Im Maerz gab sie einer
unabhaengigen aegyptischen Wochenzeitschrift ein Interview, in welchem
sie - im Gegensatz zu muslimischen Gelehrten - die Meinung vertrat,
dass der Schleier fuer moslemische Frauen nicht verpflichtend sei.
Auszerdem wurden kritische Aeuszerungen von Frau EI Saadawi ueber die
fuer Moslems verpflichtende Pilgerreise nach Mekka und ueber das
islamische Erbrecht, welches Soehne bevorzugt, zitiert.

Fundamental-lslamisten nahmen dies zum Anlass, gegen Frau EI Saadawi
mit dem Vorwurf des Abfalls vom Glauben Stimmung zu machen. Auf die
Aufforderung des Mufti von Aegypten, ihre im Interview getaetigten
Aeuszerungen zurueckzunehmen, erwiderte Frau EI Saadawi, dass ihre
Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden und sie nur historische
Fakten aufgezeigt haette.

Scheidung von "Abtruenniger"

Ihre Aussagen wurden trotzdem als Aufruf zur Haeresie verurteilt, und
sie wurde als vom Islam abtruennig erklaert. Im April reichte der
Generalstaatsanwalt eine Klage gegen sie ein. Gleichzeitig wurde ihr
Ehemann, Dr. Sherif Hetata, mit dem sie seit 37 Jahren verheiratet
ist, aufgefordert, die Scheidung einzureichen, da seine Frau vom Islam
ausgetreten waere.

Die beiden Betroffenen wollen jedoch weiterhin in Aegypten und -
gemeinsam als Eheleute -leben und wenden sich gegen die Einflussnahme
islamistischen Rechts auf die Sphaere der kreativen, intellektuellen
und wissenschaftlichen Arbeit. Weiters fordern sie die ungeteilte
Anwendung der internationalen (UNO-)Konvention zur Beseitigung jeder
Form von Diskriminierung der Frau.

Schon einmal gab es einen aehnlichen Fall, bei dem ein kritisches
intellektuelles Ehepaar bedroht und zwangsgeschieden wurde: 1996 wurde
der Kairoer Linguistikprofessor Nasr Hamid Abu Said als vom Islam
abtruennig erklaert und von seiner Frau, der Romanistin Ibtihal Junis,
in der letzten Instanz zwangsgeschieden. In konservativen Kreisen
stiesz man sich an den modernen Methoden, mit denen Abu Said die
heiligen Texte analysierte. Als Abtruenniger hatte er, nach Meinung
der Islamisten, kein Recht, mit einer Muslimin verheiratet zu sein.
Das Ehepaar war schon vor der endgueltigen Urteilssprechung wegen
mehrerer Morddrohungen militanter Islamisten ins niederlaendische Exil
geflohen. Dass die Richter damals das Urteil jener Juristen, die eine
Islamisierung des aegyptischen Rechtssystem betrieben, annahmen,
bestaetigt, dass sich die oeffentlich rechtliche Atmosphaere zugunsten
der Islamisierung aenderte.

Frau EI Saadawi selbst sieht Zusammenhaenge zwischen dem Fall von 1996
und ihrem. Sie schreibt in einem Statement vom Mai, "Ich dachte, jene
Tage seien vorbei, in denen wir selbst das Schicksal jener beiden
Gebildeten erleiden muessten, die durch die Kraefte des kulturellen
und ideologischen Terrorismus von ihrem Land vertrieben wurden".

Protest gegen zunehmende Intoleranz

Tatsache ist aber - entgegen den urspruenglichen Hoffnungen von Frau
El Saadawi - dasz in den letzten Jahren immer mehr extremistische
Anwaelte in Aegypten sich auf Klagen gegen liberale Intellektuelle und
KuenstlerInnen spezialisiert haben und fordern, dasz deren Werke
verboten werden, beziehungsweise die Personen selbst als Abtruennige
verbannt werden. Deshalb, und weil Frau El Saadawi eine Leitfigur der
Aktivistlnnen fuer Frauenrechte in der arabischen Welt darstellt, ist
es wichtig, diesem Fall eine breite und internationale Oeffentlichkeit
zu schenken, um durch Proteste und Solidaritaetskundgebungen auf eine
gefaehrliche Entwicklung hinzuweisen, wonach politisch-religioese
Kraefte versuchen, andersdenkende Menschen zum Schweigen zu bringen.

*Helga Neumayer & Nela Perle, Frauen-Solidaritaet Nr.2/01*

Aktuelle Informationen, internationale Kampagnen und Hintergrund zum
Fall Nawal EI Saadawi im Internet:
URL www.geocities.com 

Die "Frauensolidaritaet" bittet darum die Solidaritaetskampagne fuer
Nawal El Saadawi zu unterstuetzen Protestbriefe bitte an die
angegebenen Adressen:

Farouk Seif Al Nasr
Minister of Justice
Ministry of Justice
Midan Lazoughly
Cairo
Arab Republic of Egypt
Fax: +202 355 8103
(Anrede: Exzellenz)

Maher Abdel Wahab
General Prosecutor
The High Court
July 26 StreetCairo, Egypt
Fax + 202 575 7165

President: Mohammad Hosni Mubarak
Abedine Palace
Cairo
Arab Republic of Egypt
Fax:+ 202 390 1998
M@IL webmaster@presidency.gov.eg

First Lady Suzanne Mubarak
Abedine Palace
Cairo
Arab Republic of Egypt
Fax:+ 202 390 1998
E-mail: M@IL webmaster@presidency.gov.eg

Herr Botschafter Sameh Shoukri
Botschaft d. Arabischen Republik Aegypten
Hohe Warte 50-54
1090 Wien
E-mail: M@IL egyptian.embassy@netway.at

Musterbrief:

Abs:

An:

Ich ersuche Sie dringend die notwendigen Schritte zu unternehmen, um
die Vorwuerfe gegen die Aerztin, Autorin und Frauenrechts-aktivistin
Dr. Nawal El Saadawi wegen Blasphemie und Religionsabtruennigkeit zu
stoppen. Auszerdem protestiere ich gegen den Versuch, die Ehe von Frau
Dr. Nawal El Saadawi und Herrn Sherif Hetawa aufgrund von Aussagen,
die Frau El Saadawi anscheinend in einem Zeitungsinterview ueber
Frauen und den Islam getaetigt hat, zwangsweise zu annullieren. Diese
Masznahme der Staatsgewalt gegenueber Frau Dr. El Saadawi und Herrn
Sherif Hetata ist eine Verletzung der grundlegenden Menschenrechte und
eine Einschraenkung der politischen und religioesen Freiheit.

Da solche Masznahmen nur die internationale Reputation Ihres Landes
und das Ansehen der islamischen Welt beschaedigen, bitte ich Sie,
alles in Ihrer Macht stehende zu unternehmen, um Gerechtigkeit und
intellektuelle Freiheit in Aegypten sicherzustellen.
Hochachtungsvoll
Datum/Unterschrift

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