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Aussendungszeitpunkt: 19. Juni 2001 -16:16
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Osterweiterung:

>EU-Freispiel mit Grenzen

Die Folgen eines Neins

Gegen das derzeit praktizierte Verhandlunggetuemmel innerhalb der
EU und mancher der Beitrittskandidaten nimmt sich ein Hexenkessel
aus wie Bad Tatzmannsdorf um Mitternacht. Zuerst hatte das irische
Nein zu Nizza ein dementsprechendes Echo erzeugt, dann kamen die
betroffenen Reaktionen - und schlieszlich begannen sich die Medien
mehr oder weniger akribisch um die Aufarbeitung der
Laenderinteressen zu kuemmern. Von den fuer den groeszten Teil der
EU-Bevoelkerung als abstrakt empfundenen Kommandozentralen der
supranationalen Gremien war man in den nationalstaatlichen Tiefen
auf hoechst divergierende Motive und interessante Strategien
bezueglich der Osterweiterung gestossen.

Je naeher die tatsaechlichen Beitritte ruecken, desto mehr fuehren
wohlbegruendete Aengste zu Skepsis und Ablehnung. Das zu
ratifizierende Vertragswerk von Nizza war lediglich der Ausloeser,
man hatte es ploetzlich schwarz auf weisz und die baldige Zukunft
war absehbar: durch die Neubeitritte werden fuer die bisherigen
Empfaengerlaender gewaehrte Leistungen der Gemeinschaft
beschnitten, fuer manche komplett eingestellt - sprich
Ausgleichszahlungen aus den EU-Toepfen, Investitions- und
Wirtschaftshilfsprogramme, landwirtschaftliche Subventionen.
Besonders zu foerdernde Zielgebiete sind ohne Frage ausreichend
bei den Kandidatenlaendern im Osten zu finden. Bisher als
wohlbegruendet angesehene Rechte verlieren mit dem Beitrittstag
der ersten Laender ihre Existenzberechtigung. Nettozahler brauchen
sich nicht der Illusion hingeben, die Erweiterung wuerde ihre
Beitraege nicht erhoehen. Dies muessen die fuer die Erweiterung
stehenden politischen Parteien ihren Waehlern erst verkaufen.

Um den Beitritt der ersten Laender nicht vollkommen schiefgehen zu
lassen, gibt es von Teilen der EU die kuehnsten Konzessionen,
Versprechen und Zusicherungen an einige Laender, was sich
budgetaer angesichts der auszubauenden, aber verlagerten
Leistungen nicht ganz ausgehen duerfte. Die Verhandlungserfolge
Spaniens sind diesbezueglich durchaus beachtlich. Wie immer in
diesen Zeiten pflegt sich das mit mehreren Zungen sprechende
offizielle Oesterreich auch zu diesem Thema mit unsaeglicher
Peinlichkeit hervorzutun. So versucht die FP bei ihrer
Waehlerschaft zu punkten und laeszt wider besseren Wissens
vermelden, die oesterreichischen Beitrittszahlungen koennten sogar
gekuerzt werden. Gleichzeitig trommelt sie fuer eine
Volksbefragung, die auch durchaus eine Volksabstimmung sein koenne
- ohne zu registrieren, dasz ein negativer Ausgang Oesterreich
fuer mehrere Jahre vollends EU-weit isolieren koennte. Waehrend
Ferrero-Waldner an einer Teilkooperative mit den Beitrittslaendern
ala Visegradgruppe plus Oesterreich bastelt, wird sich Schuessel
bei der Erklaerung etwas schwer tun, warum er dagegen ist, das
liebe Volk ueber die Erweiterung zu befragen - ohne seinen
Koalitionspartner diesmal ernsthaft zu desavouieren.

Die konservative ungarische Musterknabenregierung Victor Orbans
pflegt mit Vorliebe zu allem Ja und Amen zu sagen, was aus
Bruessel kommt. Die polnische Regierung beschreitet hingegen einen
etwas haerteren Weg im Umgang mit den EU-Verhandlern.
Bekanntermaszen soll die Arbeitnehmerfreizuegigkeit auf Antrag
Oesterreichs und Deutschlands fuer sieben Jahre ausgesetzt sein.
Demgegenueber stellt Polen auch aufgrund der politischen Staerke
der Bauernpartei PSL die Forderung, der Grunderwerb fuer
Industrie- und Handelszwecke  mueszte fuer EU-Auslaender fuer
fuenf Jahre gesperrt sein. Noch interessanter sind die Fristen
fuer landwirtschaftlichen Nutzungsboeden, Parzellen fuer
Erholungszwecke, Ferienhaeuser und Waelder: 18 Jahre (!). Die PSL
beharrt uebrigens zusaetzlich auf sofortige
Arbeitnehmerfreizuegigkeit ohne jegliche Fristen.

Die Verhandlungen innerhalb der EU, mit den Beitrittslaendern und
die oeffentlichen Diskussionen innerhalb dieser Staaten werden
sich zweifellos auf den jeweiligen politischen Ebenen
niederschlagen. Wie auch immer saemtliche Auseinandersetzungen
enden, fuer die Union duerfte spaetestens mit der Erweiterung an
einer sukzessiven Demokratisierung und einer bindenden
Konstitution kein Weg vorbeifuehren. Da es die Union nunmal gibt,
ist jeder Streit bezueglich der Erweiterung von
demokratiepolitischem Vorteil und fuehrt wenigstens von einer
scheinbar gesichtslosen Gremienfremdbestimmung zur gewaehlten
Fremdbestimmung.
*Fritz Pletzl*

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