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Aussendungszeitpunkt: 12. Juni 2001 - 14:55
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Medien/Landwirtschaft/Glosse:

>Mit Blut- und Boden fuer die Bauern?

Seit einigen Wochen geistert ein von Oesterreichs groeszter
rechtspopulistischen Tageszeitung "Die Krone" inszenierter Text
durch die Gegend, den diese groszspurig "Bauernmanifest" nennt und
der seither -- teilweis mit sanftem Druck der Krone -- von
PolitikerInnen aller Parlamentsparteien, von Zoodirektoren und
Umweltschutzorganisationen unterstuetzt wird.

Wilhelm Molterer, der niederoesterreichische Landehauptmann
Proell, Gruenmandatarin Eva Glawischnigg, der Wiener
Buergermeister Haeupel, SP-Clubobmann Cap mit SP-Umweltsprecherin
Ulrike Sima oder der WWF, alle erklaeren oeffentlich das
"Manifest" aus der Feder von Hand Dichand, Guenter Nenning und
Gerhard Heilingbrunner zu unterstuetzen. Was steht nun aber in
diesem mit Frakturschrift uebertitelten "Manifest", das schon vom
Layout her an Blut- und Boden-Aesthetik erinnnert? Eine rationale
Analyse der Probleme einer industrialisierten Landwirtschaft, der
ganz normalen Auswirkungen kapitalistischen Wirtschaftens im
Agrarsektor? Ein Aufruf strukturelle Aenderungen im Agrarsektor
oder gar im gesamten Wirtschaftssystem durchzufuehren?

Nein, das Manifest strotzt nicht nur von Blut- und Boden-
Aesthetik, sondern auch von ebendiesem Inhalt. Die
industrialisierte Landwirtschaft wird zur "Verhoehnung der
Schoepfung" und die Rache der Natur kommt in Gestalt von
"schwarzen Rauchsaeulen der Tierscheiterhaufen [die] gegen den
Himmel steigen" daher. Es wird vom "Rueckfall in die Barbarei"
gewarnt und moralisierend ueber ein Denken das "Profit und nichts
als Profit" im Sinn hat, lamentiert. Wohlgemerkt, darueber beklagt
sich die Kronenzeitung, die offensichtlich im "Profitdenken" ein
Problem sieht, nicht aber natuerlich in kapitalistischen
Strukturen die eben nun einmal Profit abwerfen, sowohl fuer
agroindustrielle Grossbetriebe als auch fuer die Kronenzeitung.
Dass es den Initiatoren des Bauernmanifestes aber eben nicht um
die industrielle Landwirtschaft und schon gar nicht um den
Kapitalismus geht, ja nicht einmal darum, dasz die Leute etwas
Gutes und Gesundes zum Essen bekommen, sondern um ganz etwas
anderes, wird offen einbekannt: "Reinheit; Sicherheit,
Natuerlichkeit unserer Nahrung sind ein wesentliches Fundament
unseres Heimatgefuehles."

Und genau darum geht es. Gesunde Nahrungsmittel sind fuer die
Initiatoren des "Bauernmanifestes" kein Selbstzweck, sondern ein
Mittel, ein Mittel, um eine Schollenverbundenheit der
gesamten"Volksgemeinschaft" herzustellen, die sich mit ihrem
"Bauerntum", das auf der "Heimatscholle" wirtschaftet,
identifizieren soll. Dazu paszt auch das Bild, das die Haelfte des
einseitigen "Manifestes" in Anspruch nimmt. Ein Albin Egger-Lienz
Bild zeigt eine erdverbundene Tiroler Bauernfamilie um den
Mittagstisch sitzend: praefaschistische Aesthetik mit starken
Maennern und gesunden gebaerfreudigen Frauen...

Angriffe gegen das "Bauernmanifest" werden denn auch
volksgemeinschaftlich zurueckgewiesen. Der Exlinke und Gruenen-
Mitbegruender Guenter Nenning, weiss wieder einmal, wen er
pruegeln muss, wenn er in der KRONE unter dem Titel "Bauernhass"
meint: "Wie sie schaeumen! Das haette ich mir gar nicht erwartet:
dass die so genannten 'liberalen' oder 'fortschrittlichen' oder
wie immer zu benennenden Medien mit so viel Wut losschreiben gegen
das Bauernmanifest. Sie koennen die Bauern nicht leiden, aber es
erregt sie." Und Nenning freut sich wieder einmal ueber seine
Oesterreicher: "Die Zustimmung so vieler rotweiszroter vernunft-
und gefuehlsbegabter Oesterreicher -- ueberrascht mich nicht. Sie
erfreut mich, aber ich habe sie erwartet." Fuer den Manifest-Autor
Nenning sind die Bauern das Gegenteil der dem Zeitgeist
nachlaufenden modernen "Industrie- und Spaszgesellschaft", ewig
und ahistorisch quasi Teil der Landschaft und des Bodens den sie
bebauen.

Kritiker des Bauernmanifestes wie der Gruene Europaabgeordnete
Voggenhuber bleiben bei so viel Angriffslustigkeit der KRONE gegen
ihre GegnerInnen selbst in ihren eigenen Parteien in der
Minderheit. Von den Gruenen ueber die SPOe, OeVP und FPOe hat die
Kronenzeitung eine Volksfront fuer einen But- und Boden-
Bauernschutz zusammengebastelt, dem sich kaum ein Politiker
entziehen kann und will. Jeder Unterstuetzer bekommt schlieszlich
einen Bildbericht in Oesterreichs auflagenstaerkster Tageszeitung,
vielleicht sogar eine Titelseite. Und wenn mal wer nicht will,
wird von der Kronenzeitung mit sanftem Druck nachgeholfen. Nach
dem Motto, dann erklaeren wir dich oeffentlich zum Bauernfeind und
unterstuetzen dich nicht mehr. Und vor solch einer Politik, vor
dieser Macht der Kronenzeitung gehen alle Parlamentsparteien in
die Knie.

Eine Zeitung regiert ein Volk, das sie vorher in Jahrzehnten zu
diesem zusammengeschweiszt hat.

*Oekologische Linke / gek.*

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