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Aussendungszeitpunkt: 24.04.2001 - 14:55
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Globalisierung:

>Verseuchter Markt

Nicht fuer die Tiere, fuer den "freien Markt" ist die Maul- und
Klauenseuche die Pest

Die Toetung hunderttausender Tieren zeigt, dass unsere Gesellschaft
jedes Masz in Umgang mit der Landwirtschaft verloren hat. BSE und die
Maul- und Klauenseuche (MKS) zwingen uns zu der Einsicht, dass sich
die Gesellschaft wieder um die Fundamente der Ernaehrung kuemmern
muss. Nur so koennen wir aus der Sackgasse herauskommen, in die wir
hineinmanoevriert worden sind. Die MKS ist das beste Beispiel dafuer:
Die Tiere sterben nicht an der MKS - fuer Menschen ist sie
ungefaehrlich. Die pasteurisierte Milch und das Fleisch erkrankter
Tiere koennen gegessen werden. Haengt man das Fleisch zwei Tage ab,
ist es virenfrei. Warum also muessen unsere Tiere getoetet werden?

Die MKS war schon immer ein "ein Schrecken" fuer die Bauern. "Gott
schuetze uns vor Blitz, Hagel und der Maul- und Klauenseuche", mit
diesen Worten schloss man frueher die Gottesgeisel in das abendliche
Gebet mitein. Die Seuche begann meist in den Staellen, in denen die
Tiere am schlechtesten gehalten wurden. Doch wenn die Seuche dann kam,
toetete niemand die Tiere. Es wurde der Hof abgesperrt - nichts durfte
herein und nichts heraus. Vor dem Stall lag ein mit
Desinfektionsmittel getraenkter Sack.

Im "Handbuch der Landwirtschaft zur Maul- und Klauenseuche" aus dem
Jahre 1859 steht: "Eine aerztliche Behandlung ist im Allgemeinen nicht
erforderlich, da die Krankheit in den meisten Faellen innerhalb 8-14
Tagen von selbst heilt... Auch wird die Heilung dadurch gefoerdert,
dasz man den Thieren das Maul oefters mit einer Mischung von Wasser
und Essig macht. Immer ist es noetig, dasz man die Thiere rein und den
Stall trocken haelt, auch nur weiche Nahrungsmittel, gesottene
Kartoffel, Kleien- oder Mehlstaerke darreichen laeszt, welche nicht
stark gekaut zu werden braucht."

Bis in die fuenfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hinein wurde
nichts anderes als der fuersorgliche Umgang mit den kranken Tieren
gefordert. Es war unvorstellbar erkrankte Tiere zu toeten, denn Tiere
waren die Gundlage der Existenz. Wenn man sich die Muehe machte und
sie als Kranke pflegte uebertauchten die Kuehe die MKS bald und von
den Kaelbern starben hoechstens zehn Prozent.

Ab 1992 verzichtete man sogar auf die moegliche Impfvorsorge. Man
definierte Gesundheit neu: Gesund ist seither nur ein Tier, das frei
von den Viren der MKS ist -, und nicht mehr das, das sich mit seinem
eigenen Immunsystem gegen die Seuche wehren kann. Impfen und
Heilversuche wurden verboten. Erkrankte oder verdaechtigte Tiere
muessen getoetet und "unschaedlich beseitigt" werden. "Eradication"
lautet die neue Therapie. Der Paragraf 14 der MKS-Verordnung schreibt
Massentoetung, Verbrennung, Desinfizieren vor.

Zu dieser Wende in der europaeischen Seuchenpolitik kam es, weil die
1966 eingefuehrte Impfung die Krankheit zwar zurueckgedraengt hatte,
doch gleichzeitig den Export von Fleisch und lebenden Zuchttieren
behinderte, etwa in die Vereinigten Staaten oder nach Japan. Denn
geimpfte Tiere koennen Viren ausscheiden, obwohl sie selbst immun
geworden sind. Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse beschloss die EU jene
Massentoetungs-Strategie. Inklusive des Risikos, dass das Virus durch
den weltweiten Handel eingeschleppt wird. Das Exportinteresse setzte
sich gegen das Urteil vieler Tieraerzte durch. Das ging einige Jahre
gut.

Doch wie sollte das "seuchenfreie" Europa bei freiem Waren- und
Personenverkehr verteidigt werden - gegen eine Seuche, die fast
ueberall auf der Welt grassiert? Der Grundfehler der Entscheidung der
Europaeischen Union war es, "Seuchenfreiheit oder die "Ausrottung des
Virus" fuer moeglich zu halten. Diese Strategie fuehrt in Zeiten der
Globalisierung aber notwendigerweise zu Massentoetungen.

Auch oekonomisch geht die Rechnung nicht auf. Die
Financial Times rechnete vor: Groszbritannien verdient jaehrlich 1,9
Milliarden Mark durch den Export von Fleisch und Milchprodukten.
Angesichts der geschaetzten Verluste von 28 Milliarden Mark in
Tourismus und Landwirtschaft sind mehr als 14 Jahre Export
erforderlich, um den Schaden weniger Wochen Massentoetung
auszugleichen.

Fuer die Rechnung ist die Dauer des Exportverbotes wichtig. Nach dem
Impfen sprechen die Amtstieraerzte von einem Jahr Exporteinschraenkung,
denn nach einem Jahr kann ein geimpftes Tier das Virus zwar noch in
sich tragen, aber kaum mehr ausscheiden.

Nur grob schaetzen lassen sich die Kosten der Organisation des
Ausnahmezustandes. Die Kosten fuer die Entsorgung, den
Militaereinsatz, usw. darf der Steuerzahler tragen. Damit steht der
Schaden der Seuche in keinem Verhaeltnis mehr zu moeglichen Gewinnen
durch den Export. Fuer die Bauern sieht die Rechnung so aus: Die
Tierseuchenkasse erstattet bei der Toetung nur 60 Prozent vom
geschaetzten Marktwert des Tieres. Das Impfen dagegen kostet pro Tier
rund 70 Schilling - fuer Impfstoff und die Arbeit des Tierarztes.

Eine Abwendung von der Toetungsstrategie wuerde wesentliche
Grundsaetze der Weltmarktorientierung in der Agrarpolitik infrage
stellen. In den letzten Jahren ist die EU zum zweitgroeszten
Agrarexporteur aufgestiegen. Dafuer opfert man unsere Tiere auf dem
Altar des globalen Wettbewerbs.

Impfen, kurze Wege bei Tiertransporten, tiergerechte Haltungsformen,
regionale Handelsbeziehungen dies sind fuer die international
agierende Agrarindustrie nichts anderes als Hemmnisse. Und
Handelshemmnisse muessen weg so das Dogma des freien Marktes. Die
Haltungsbedingungen, Fuetterung und die Zucht der Tiere muessen sich
nach den Richtlinien des Biolandbaus orientieren. Der Krankheitsdruck
in der Massentierhaltung ist zu grosz. Turbo-Kuehe, die mit
Eiweiszfuttermittel gedopt eine Milchleistung von 10.000 Liter pro
Jahr haben, koennen Krankheiten wie der MKS wenig entgegen setzen.

In Zukunft muss man sich wieder mehr an den Naturgesetzen orientieren
als an den Gesetzen des Marktes. Das muss sich auch EU-Kommissar Mario
Monti zu Herzen nehmen. Kritisierte dieser noch vor kurzem das
Berliner Umweltamt, welches die bessere Oekobilanz von
landwirtschaftlichen Produkten aus der Region hervorhob. Seine
Rechtsauffassung: "Die Auforderung, regionale Waren zu kaufen, sei
eine Diskriminierung all jener Konkurrenzprodukte, die von weit her
kaemen."

(Presseaussendung von Klimabuendnis Kaernten -
Modifiziert nach: "Apocalypse Cow" in: Die Zeit, Nr.15/2001)

Kontakt: Klimabuendnis Koordinationsstelle Kaernten, Christian
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