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Aussendungszeitpunkt: 13. Maerz 2001 - 15:40
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Nachruf:

> Gustl Zickler ist nicht mehr.

Man rechnet damit und dennoch trifft es uns, wenn die
unwiderrufliche Nachricht kommt. Es war traurig anzusehen, wie
dieser brilliante humorvolle Denker nach einigen Schlaganfaellen
nicht mehr wuszte, was mit ihm los war.

Wir aber wollen uns an den froehlichen, geistreichen Gustl
erinnern.

E war jahrelang Arbeiterbetriebsrat bei Siemens. Mitglied des
Zentralvorstandes und des Praesidiums der
Metallarbeitergewerkschaft. Als Rechtsschutzsekretaer muszte er
oft erleben, dasz ArbeiterInnen und Arbeiter bei Firmenkonkursen
um ihre wohlerworbenen Rechte und um viel Geld gebracht wurden. Er
leistete daher einen wesentlichen Beitrag beim Zustandekommen des
Insolvenzentgeltsicherungsgesetzes.

Eine seiner nachhaltigsten Arbeiten war es, aus 85 verschiedenen
Kollektivvertraegen im Metallbereich, 5 zu gestalten. Dadurch
wurde eine nicht zu unterschaetzende Rechtssicherheit geschaffen,
die bis heute beispielhaft ist.

Bekannt und beliebt waren auch seine Artikel in der Zeitschrift
"Glueck auf". Nicht selten waren sie Grundlage fuer Prozesse vor
dem Arbeits- und Sozialgericht, die durch seine rechtliche
Interpretation zu einem positiven Urteil fuehrte.

Bei seiner Abschiedsrede am 12. Gewerkschaftstag 1980 meinte er
u.a.:

"Nach fast 2 Jahrzehnten dieser Taetigkeit festigt sich immer mehr
die Erkenntnis bei mir, dasz das Herangehen an das Loesen von
Fragen aus formalrechtlicher Sicht auf Dauer gesehen schaedliche
Wirkungen erzeugt. Ich sage das als Rechtsschutzmann. Mir scheint,
dasz es in unserer gegenwaertigen Bewegung mit Fragen der
Ideologie der Grundsatzdiskussion und des Bewusztseins nicht immer
zum Besten bestellt ist.

Ich werde sicherlich niemand in Erstaunen setzen, wenn ich sage,
dasz ich mit groszen Vorbehalten der Politik der
Sozialpartnerschaft gegenueberstehe, und zwar aus verschiedenen
Gruenden. Einen davon greife ich heraus, und das scheint mir der
zu sein, dasz damit Initiativen eher unterlassen werden, dasz
damit eine Art Ideenarmut eintritt und dabei uebersehen wird, dasz
derjenige, der sich in einer unuebersichtlichen Landschaft bewegt,
gut daran tut, wenn er Markierungen vorfindet. Ich bestreite gar
nicht, dasz ich den roten Markierungen den Vorzug gebe.
Markierungen des Inhalts, das auch in der heutigen Situation nicht
vergessen werden darf, wo wer zu stehen hat. Das heiszt, dasz
Klassenpositionen nicht aufgehoben wurden durch eine Aenderung der
Regierungsform."

Gustl Zickler war auch Mitglied des ZK der KPOe. Er war einer
jener Kommunisten, die 1968 den Prager Fruehling enthusiastisch
begrueszten. Er blieb den Ideen des "Sozialismus mit menschlichem
Antlitz" auch noch treu, nachdem sich die KPOe dem Moskauer Kurs
wieder angepaszt hat. Da konnte er nicht mehr in dieser Partei
bleiben. Folgerichtig wurde Gustl zu einem Mitbegruender der
"Arbeitsgemeinschaft Gewerkschaftliche Einheit (GE)", die fortan
als autonome, linke, kritische Fraktion im OeGB fungierte. Als
Gustl am 11. Gewerksschaftstag 1971 von der KPOe-Fraktion nicht
mehr fuer den Zentralvorstand der Metallarbeiter nominiert wurde,
hielt Anton Benya fuer Gustl eine Abschiedsrede, in der er unter
anderem sagte:

"Wenn wir, lieber Freund Zickler, der Du ja bei uns in der
Rechtsabteilung bist, von Dir als Funktionaer im Praesidium und im
Zentralvorstand Abschied nehmen, dann darf ich Dir sagen, trotz
aller Gegensaetzlichkeiten, die auf der politischen Ebene gelegen
sind, und trotz all dem, was uns getrennt hat auf dem Weg, den wir
gehen wollten, um eine schoenere, bessere Gesellschaftsordnung zu
etablieren: Ich darf Dir danken, dasz Du Dich immer so fuer die
Interessen der Arbeitnehmer eingesetzt hast und dasz bei allen
Meinungsdifferenzen das Menschliche im Vordergrund gestanden ist.

Nimm Abschied vom Zentralvorstand und dem Praesidium, aber bleibe
in unserer Organisation als treuer und guter Gewerkschafter,
lieber Freund Gustl!" (Im Protokoll wird langanhaltender Applaus
vermerkt)

Als Rechtsschutzsekretaer blieb Gustl bis zu seiner Pensionierung
aktiver Funktionaer unserer GE. Vielen Betriebsraeten war er als
geistreicher und humorvoller Referent ueber das Arbeitsrecht
bekannt. Er liebte die Berge und die Musik - insbesonders
Bruckner. Er war ein kaempferischer, froehlicher Mensch, und als
solcher wird er allen, die ihn kannten, in Erinnerung bleiben.

*Walter Stern, Heinz Duerr, Franz Mikolasch*
 

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