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Aussendungszeitpunkt: 13. Februar 2001 - 14:41
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USA/Chile/BRD/Zeitgeschichte:

Warum starben Teruggi und Horman?

"Missing" - Viele haben ihn gesehen, den Film von Costas Gavras
mit Jack Lemmon in der Rolle des Vaters des US-amerikanischen
Pinochet-Opfers Charles Horman. Nun brachte Bill Clinton als eine
seiner letzten Amtshandlungen einige Dokumente an die
Oeffentlichkeit, die Auskunft ueber die naeheren Umstaende des
Verschwindes von Horman und seinem Kompagnon Frank Teruggi
brachten. Seither kommt anknuepfend daran staendig neues Material
zu Tage.

Am 11. September 1973 putschten die chilenischen Generaele,
angefuehrt von General Augusto Pinochet, gegen die gewaehlte
Links-Regierung Salvatore Allendes. Die Putschisten ermordeten
Praesident Allende und weitere etwa 5000 Chilenen -- und auch zwei
US-Amerikaner, den 31-jaehrigen Charles Horman aus New York und
den damals nur 24 Jahre alten Frank Teruggi aus Chicago.

Den Mord Charles Hormans scheint leicht zu erklaeren: Er war,
vielleicht zufaellig, Zeuge der US-(sprich CIA-)Beteiligung am
Putsch. Am "Coup-Tag" auf Besuch in La Vina del Mare, Vorort des
Chilenischen Flottenstuetzpunkts Valparaiso, trafen Horman und
seine Freundin Terry Simon amerikanische "Zivilisten" und
Offiziere, die ohne grosse Verschwiegenheit zugaben, sie "seien
hergekommen einen Job zu tun, und dieser Job sei jetzt erfolgreich
getan".

Horman "wusste zuviel", und musste deswegen sterben.

Es war aber bis heute unklar, warum sein Freund Frank Teruggi
umgebracht wurde. Er wurde, wie andere amerikanische Mitarbeiter
der kleinen linken Zeitung "FIN", festgenommen; die anderen wurden
nach einigen Tagen wieder entlassen, Teruggi aber erschossen.
Die Vaeter von Horman und Teruggi klagten, nicht nur gegen die
Chilenische Putsch-Regierung Pinochets, sondern auch gegen die US-
amerikanischen Behoerden, insbesonders deren damaligen Guru Henry
Kissinger, wegen der Ermordung ihrer Soehne.

Sie vermuteten, dass einerseits die US-Behoerden versuchten, die
Morde zu vertuschen, sie so lange wie moeglich zu leugnen, die
Angehoerigen, insbesonders die Frau Hormans und seinem nach
Santiago angereisten Vater an der Nase herumzufuehren; aber die
Vermutungen gehen auch in die Richtung, dass die chilenischen
Putschisten keineswegs amerikanische Buerger ohne die "Erlaubnis",
der Nixon-Regierung umgebracht haetten.

Waehrend die Prozesse in Chile zum Teil bis heute laufen, wiesen
die US-Richter 1985 die Klagen endgueltig zurueck. Es gaebe zwar
Vermutungen, sogar ein Buch (Thomas Hauser: "Missing", 1978/82,
die Vorlage fuer den Film) ueber diese Tode, aber die Horman- und
Teruggi-Familien haetten "ueberhaupt keine Beweise" dafuer, dass
amerikanische Instanzen, sprich Polizei oder Geheimdienste,
irgendetwas ueber die blanke Existenz dieser zwei jungen
Journalisten in Chile wussten, oder deren politische
"Linkslastigkeit" vermerkt haetten. Botschaft, CIA, andere
Instanzen, verneinten jede Kenntnis ueber diese "linken Leute" -
bis vor drei Monaten der scheidende US-Praesident Clinton in
seinen letzten Amtshandlungen an die 16.000 bis dahin geheime
Dokumente "deklassifizierte", also teilweise frei gab.

Dabei kam etwas aus unerwarteter Richtung, aus der Deutschen
Bundesrepublik: Am 25.Oktober 1972, 11 Monate vor seiner
Ermordung, wurde die Adresse Frank Teruggis in Santiago, Chile,
und eine detaillierte Beschreibung - Teruggi sei "eng assoziiert
mit der Chicago Distrikt Gruppe fuer die Befreiung Amerikas" vom
Bonner Buero des FBI  an den "Acting Director" des FBI geschickt.
(Das FBI ist als Abteilung des "Department of Justice" theoretisch
ja nur mit "Kriminalitaet" im Landesinneren beschaeftigt.) Das
Bonner FBI-Buero verlangte eine "angemessene Untersuchung" des
"Subjektes" und dieser Chicago Gruppe. Die Ergebnisse sollten in
einer "Form, die zur Verbreitung geeignet sei", hergestellt
werden.

Das bis dahin geheime Memorandum, so wie andere aehnliche
Dokumente, bleibt teilweise zensiert - aber es ist klar, dass
Auskuenfte ueber Teruggi schon im Juli 1972 von der US Armee in
Muenchen gesammelt wurden. Anscheinend geschah dies waehrend der
Bespitzelung widerstandsleistender amerikanischer Soldaten
(Resisters Inside The Army, RITAs), und deren Freunde (FRITAs).
Diese gaben damals viele "underground newspapers" (auch "GI
Papers" genannt) heraus.

Es ist noch nicht bewiesen, dass die Auskuenfte ueber Terrugi,
ueber die anti-imperialistischen Chicago-Gruppen, denen er
angehoerte, und seine Adresse in Chile, an die Putschisten von den
Amerikanern weitergegeben wurden. Sicher ist nur, dass Frank
Teruggi und sein Freund und Mitarbeiter David Hathaway am 20.
September, neun Tage nach dem Putsch, von einem Dutzend Soldaten
zu Hause, unter dieser Adresse, festgenommen und
zusammengeschlagen wurden, und in das "Nationale Stadion", das
damals als KZ und Toetungsstaette diente, gebracht wurden.

Frank Teruggi wurde namentlich herausgerufen und verschwand. David
Hathaway wurde nach fuenf Tagen verhoert, am sechsten Tag
freigelassen, aus Chile ausgewiesen. Am 2.Oktober brachte ein
anderer amerikanischer Mitabeiter der jetzt natuerlich
unterdrueckten Wochenzeitung "FIN", Steve Volk, mit groesster
Schwierigkeit den widerwilligen Vize-Konsul James Anderson in das
Leichenschauhaus von Santiago. In mehreren Hallen lagen viele
hunderte erschossene, meist nackte, Leichen. In der letzten fanden
sie Frank Teruggi.

Warum gerade Teruggi von den Pinochets ermordet wurde ist noch
unsicher. Aber John Dinges, Amerikanischer Spezialist in Sachen
"Chile", sagte: "Teruggi bekam amerikanische "RITA"-Zeitungen aus
Deutschland. Das FBI in Bonn, danach sicher auch die CIA in
Santiago, wussten dies. Wenn die Amerikaner und die Pinochet-
Generaele eine Angst hatten, war es, dass die Chilenischen
Soldaten - so wie vorher viele Valparaiso-Matrosen - versuchen
wuerden, Widerstand zu leisten, nicht gegen ihr eigenes Volk zu
schiessen und auch nicht gegen die gewaehlte Regierung zu
putschen. Vielleicht hat gerade diese Information, dass Teruggi
mit RITA verbunden war, genuegt, um ihn umzubringen."
*Max Watts, Sidney*

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