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Aussendungszeitpunkt: 17. Januar 2001 - 6:09
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Sozial/Staat/Wirtschaft:

> Es ist genug fuer alle da!

Nach Bernhard A. Lietaer darf ein Staat nicht zuviel Geld in
Umlauf bringen, denn dies wuerde eine Inflation der Waehrung
ausloesen. Arbeitslosigkeit, Verteuerungen und  soziale Unruhen
waeren die Folgen. So ist in einem Staat immer nur eine bestimmte
Geldmenge vorhanden. Da sich aber  immer mehr Geld zu den Reichen
verlagert, fehlt es der restlichen Bevoelkerung. Dadurch erhoeht
sich die Armut.

Der Devisenmarkt ist der groeszte Einzelmarkt auf der Welt
geworden.

Das taegliche Volumen der weltweiten Devisentransaktionen:

* 1983 lag es bei 60 Milliarden Dollar,

* 1995 hat es schwindelerregende 1,3 Billionen Dollar erreicht und

* 1998 betrugen die Transaktionen an einem normalen Tag um die 2
Billionen Dollar.

Der genannte Wert von 1998 entspricht mehr als  den 100fachen der
taeglichen an den Boersen der Welt gehandelten Effekten. Der
genannte Wert ist mehr als das 150fache des gesamten weltweiten
taeglichen Umschlags von Rohstoffen, Fertigwaren und
Dienstleistungen. Zudem waechst das Volumen der
Devisentransaktionen mit der halsbrecherischen Rate von 20 bis 25
Prozent jaehrlich. Mittlerweile sind 98% aller
Devisentransaktionen spekulativer Natur, und nur 2% Prozent
haengen mit realen Geschaeften zusammen. Die Welt ist ein Kasino!

Diese Transaktionen muessen mit einer Steuer (Tobin-teuer) belegt
werden. Diese steuerlichen Einnahmen koennten dann fuer soziale
Zwecke verwendet werden. Dies ist nur ein Beispiel wie
gesellschaftlicher Reichtum nutzbar gemacht werden kann.
Situation in Oesterreich
Je nach Definition sind in Oesterreich ca. 400.000 Menschen arm
und ca. 1 Million Menschen leben an oder unter der Armutsgrenze.
Wir moechten uns mit der Frage beschaeftigen, wie der
gesellschaftliche Reichtum moeglichst gerecht nutzbar gemacht
werden kann.

Oesterreich gehoert zu den reichsten Laendern der Erde und hat
dadurch auch mehr Chancen das soziale Elend zu bekaempfen. Es ist
nicht gerecht, dass Menschen keinen Zugang zur Bildung  oder zur
Gesundheitsversorgung haben, in schlechten Wohnverhaeltnissen
leben oder Probleme beim Beheizen ihrer Wohnung haben.  Wir
muessen den Armen und den Armutsgefaehrdeten, das sind vor allem
Gastarbeiter, Arbeitslose, AlleinerzieherInnen, Familien mit 3 und
mehr Kindern , Hilfsarbeiter und BaeuerInnen die Teilnahme an
unseren sozialen Grundrechten ermoeglichen.

Waeren die Firmengewinne in Oesterreich gleich hoch besteuert wie
im EU- Durchschnitt und wuerden die Vermoegen einen gleich hohen
Beitrag zur  Staatsfinanzierung leisten wie im OECD- Durchschnitt,
dann haette Oesterreich kein Haushaltsproblem, sondern einen
Maastricht- resistenten Budgetueberschuss von sieben Milliarden
Schilling.

Der effektive Koerperschaftsteuersatz (effektive Steuerbelastung
fuer Unternehmen in der EU) betraegt in:

Portugal        17,2% (niedrigste)

Oesterreich   17,7% (zweitniedrigste)

Frankreich     32,9%

Deutschland  38,5% (hoechste)

EU-Durchschnitt:            26,8%

Anstatt diesen Reichtum fuer die Gesellschaft zu nuetzen, wird zur
Zeit das Gegenteil gemacht. Durch ausgabenseitiges Sparen werden
die Belastungen auch fuer die Mittelschicht immer groeszer. Es
besteht die Gefahr, dass sich in einer immer reicher werdenden
Gesellschaft die Armut vergroeszert.

*Wolfgang Hohenberger*
*Kaerntner Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung / gek.*
 

***

> Das Problem mit der Treffsicherheit

Man kann die Treffsicherheit erhoehen, ohne Armut zu bekaempfen. Man
kann sogar den Aermeren etwas wegnehmen und gleichzeitig die
Treffsicherheit erhoehen. Wie das geht? Reiche bekommen keine
Sozialleistungen mehr. Der eingesparte Betrag dient der
Budgetkonsolidierung. Damit flieszen ausgabenseitig prozentuell mehr
Sozialleistungen in das untere Einkommensfuenftel. Durch die von der
Regierung erhoehten Massensteuern oder Kuerzungen bei Arbeitslosen hat
sich zwar der absolute Betrag fuer die Einkommensschwaechsten
verringert, die Treffsicherheit aber relativ erhoeht. So entlastet man
die Statistik, nicht die Betroffenen. Man nimmt Geld weg ohne den
Aermeren zu geben. Und gaukelt, den Aermeren vor, dasz sie davon
profitieren, obwohl sie nichts davon haben. Wenn "Treffsicherheit"
meint, die Transfers ausgabenseitig fuer die Reichen zu verringern,
ohne die Leistungen in den untersten Einkommensschichten zu
verbessern, aendert das fuer von Armut Betroffene nichts.  Frau S.
darf dann weiter von 4200 Schilling Notstandshilfe im Monat leben,
dafuer aber jetzt  "treffsicher".

Die Fuersorgefalle lockt mit dem Versprechen, dasz man ab jetzt den
"wirklich Beduerftigen" helfen musz. Armut ist aber nicht in den
Laendern am geringsten, in denen das Sozialsystem sich an
"Treffsicherheit" orientiert. England oder die USA haben die hoechsten
Armutsquoten trotz Targeting-Masznahmen. Es sind nicht die
Sozialleistungen allein, die die Schwaecheren einer Gesellschaft
stuetzen. Entscheidend ist auch die soziale Infrastruktur.

Unklar ist, was fuer ein Ziel "Treffsicherheit" bezeichnet. Zur
Armutsbekaempfung braucht es ein Netz, das den Absturz in den dunklen
Keller verhindert, und es braucht funktionstuechtige Aufzuege mit
offenen Stiegenhaeusern, die die Durchlaessigkeit des Hauses
gewaehrleisten. Existenzsicherung nach "unten" und Teilhabe nach
"oben". Existenzsicherung ist mit "Treffsicherheit" aber
offensichtlich nicht gemeint. Soziale Integration ist mit
"Treffsicherheit" offensichtlich auch nicht gemeint. Die Ueberpruefung
des Steuersystems auf seine Treffsicherheit ist unumgaenglich.
Mangelnde Beitragsgerechtigkeit steht derzeit nicht zur Debatte.
Was den Wohlfahrtsstaaten abgeht, ist weniger "Treffsicherheit" als
soziale Grundrechte. Wer nicht ueber lueckenlose Erwerbsarbeit, die
Ehe oder den richtigen Reisepasz abgesichert ist, traegt noch immer
ein hohes Risiko "drauszen vor der Tuer" zu stehen. Das hoechste
Armutsrisiko betrifft laut Sozialbericht Zuwanderer, Erwerbslose und
Alleinerzieherinnen. Der Reformbedarf im unteren sozialen Netz ist
grosz.

Wenn mit "Treffsicherheit" gemeint ist, dasz man einige Milliarden
Schilling ausgabenseitig bei den Sozialleistungen einsparen will, dann
soll man das auch so sagen. Mit Armutsbekaempfung,
Beitragsgerechtigkeit, Existenzsicherung, sozialer Integration hat`s
dann aber Null zu tun. Und von Null haben die Aermeren in Oesterreich
nichts. *Martin Schenk / gek.*
 

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