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Aussendungszeitpunkt: 21. November 2000 - 15:59
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Recht & Ordnung:

> Juristische Farbenlehre

Ein Wiener Rechtsanwalt bezweifelte in Wahrnehmung der
Angelegenheiten seines Mandanten die Seriositaet der Argumentation
der Staatsanwaltschaft. Diese antwortete mit einer Anzeige.
Daraufhin ging der Anwalt an die Oeffentlichkeit. Hier seine --
leicht gekuerzte -- Stellungnahme:

*

Die Staatsanwaltschaft Wien fuehrt in einer Strafberufung
(20.06.2000) aus: "Im Hinblick auf die weiterhin hohe
Suchtgiftkriminalitaet und die Tatsache, dasz gerade im Wiener
Raum der Straszenhandel mit Heroin und Kokain in zunehmendem Masze
von illegal eingereisten Afrikanern dominiert wird, ist es
notwendig, insbesondere auch generalpraeventiven Aspekten
verstaerkte Beachtung zu schenken. Es bedarf daher der Verhaengung
und Vollziehung drastischer Strafen als Gegengewicht zu den
verlockenden hohen Gewinnmoeglichkeiten des Suchtgifthandels."

Nach meinem Verstaendnis der deutschen Sprache kann diese
Formulierung nur so, zumindest aber auch so verstanden werden,
dasz die Staatsanwaltschaft Wien wegen des von Schwarzen
dominierten Suchtgifthandels fuer Suchtgifthaendler schwarzer
Hautfarbe strengere Strafen fordert als fuer Suchtgifthaendler
weiszer Hautfarbe, was zumindest als Forderung nach rassistischer
Strafjustiz verstanden werden kann.

Als Pflichtverteidiger habe ich dieses Argument in der
Gegenschrift dazu mit folgendem Wortlaut als unsachlich kritisiert
(Berufungsgegenausfuehrung vom 03.07.2000 an das LG fuer
Strafsachen Wien):

"Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dasz gerade im Wiener Raum
der Straszenhandel mit Heroin und Kokain in zunehmendem Masze von
illegal nach Oesterreich eingereisten Afrikanern dominiert'wuerde,
sodasz aus general-praeventiven Aspekten die Verhaengung
und Vollziehung drastischer Strafen' erforderlich waere, ist durch
die erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht gedeckt,
sondern scheint vielmehr der politischen Argumentation einer
bestimmten Partei zu entstammen."

Hofrat Dr. Erich Wetzer als Leiter der Staatsanwaltschaft Wien hat
deshalb am 07.08.2000 Diziplinaranzeige gegen mich erstattet und
diese im wesentlichen wie folgt begruendet: "Die Unterstellung,
die Staatsanwaltschaft wuerde sich in ihren
Rechtsmittelausfuehrungen der politischen Argumentation einer
bestimmten Partei' bedienen, wird entschieden zurueckgewiesen."

Mein Mandant hat mich hinsichtlich des gegenstaendlichen
Sachverhaltes von meiner Verschwiegenheitspflicht entbunden.

Ich habe den Herrn Bundesminister fuer Justiz Dr. Dieter
Boehmdorfer persoenlich mit eingeschriebenem Brief vom 18.10. 2000
den gegenstaendlichen Sachverhalt umfassend zur Kenntnis gebracht
und ihm Gelegenheit zur medienrechtlichen Stellungnahme bis
03.11.2000 gegeben.

Eine solche Stellungnahme ist nicht erfolgt.

Jedermann hat Anspruch darauf, den Beistand eines Verteidigers
seiner Wahl zu erhalten (Art. 6 Menschenrechtskonvention). Zu den
Menschenrechten zaehlt auch das Verfassungsgesetz betreffend das
Verbot rassischer Diskriminierung (BGBl 1973/390), nach dem jede
Form rassischer Diskriminierung verboten ist.

Das Menschenrecht auf Beiziehung eines Rechtsbeistandes seiner
Wahl wird nach meiner festen Ueberzeugung inhaltsleer, wenn der
Rechtsbeistand nicht mehr ohne Gefahr eigener Verfolgung den
Standpunkt der ihm anvertrauten Interessen vertreten und vortragen
darf und insbesondere nicht auf unsachlich scheinende Aeuszerungen
der Prozeszgegenseite, sei diese auch eine oeffentliche Behoerde,
entsprechend reagieren darf.  *Markus Petrowsky*
 

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