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Aussendungszeitpunkt: 30.10.2000; 17:00
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Bolivien/Kapitalismus:

> Einmal siegreich im Kampf gegen die Weltbank

Menschenrechtspreis fuer Oscar Olivera

Der Gewerkschaftsfuehrer Oscar Olivera hat mit seinem
erfolgreichen Kampf um eine Aenderung des bolivianischen
Wassergesetzes einen Goliath besiegt: die Milliarden schwere
Weltbank, die die Wirtschaftspolitik des Andenstaates seit rund 15
Jahren bestimmt.

Im Rahmen der Reform darf Oliveiras Heimatstadt Cochabamba die
kostbare Ressource kuenftig selbst verwalten. Die Privatisierung
des Wassersystems, die die internationale Finanzorganisation
eingeleitet hatte, wurde rueckgaengig gemacht.

Fuer sein Engagement hat der gelernte Schuhmacher nun den
Letelier-Moffitt-Menschenrechtspreis erhalten. Die Auszeichnung
wird im Gedenken an den frueheren chilenischen Auszenminister
Orlando Letelier und den US-Forscher Ronni Karpen Moffitt -
ehemals Mitarbeiter des US-amerikanischen 'Institute for Policy
Studies' - verliehen. Beide sind 1976 auf Anordnung des
chilenischen Diktators Augusto Pinochet ermordet worden.

"Der Sieg hat uns viel gekostet, ungleich schwerer aber war es,
den Kampf durchzustehen", sagte Olivera, Chef der
Fabrikarbeitergewerkschaft in Cochabamba, anlaesslich der
Preisverleihung in der letzten Woche. Wasser sei eine Kostbarkeit
in seiner Heimatstadt. Sein Ziel sei der Aufbau eines sozial
gerechten Verteilungssystems, das dafuer sorge, dass die Aermsten
der Armen zuerst bedacht wuerden.

Die im letzten Jahr auf Geheisz von Weltbank und Internationalem
Waehrungsfonds (IWF) eingeleitete Privatisierung der
Wasserversorgung in der drittgroeszten Stadt Boliviens hat genau
das Gegenteil bewirkt. Nach der Uebernahme durch das Konsortium
'Aguas del Tunari', einer Tochter der US-Firma 'Bechtel', sind die
Wasserpreise um bis zu 200 Prozent in die Hoehe geschnellt. Fuer
das Gros der Haushalte in Cochabamba, die mit weniger als 100 US-
Dollar im Monat auskommen muessen, waren die Mehrkosten von 20
Dollar und darueber nicht zu bezahlen.

Die Folge war monatelange Proteste, die im April in blutigen
Auseinandersetzungen mit der Armee kulminierten und die Regierung
zwangen, Vertrag mit dem Ableger des in San Francisco beheimateten
Konzerns zu loesen. Oliveras Sieg ueber die Weltbank ist somit
zugleich einer ueber Bechtel, ein Unternehmen, das mit 40.000
Beschaeftigten in aller Welt und Einnahmen von etwa 15 Milliarden
Dollar im letzten Jahr zu den ganz groszen der Baubranche gehoert.

Mittlerweile hat die bolivianische Regierung unter Hugo Banzer
Dutzenden Buergerrechtlern, die seit April in Haft sitzen, die
Freilassung und Entschaedigungen fuer die Familien der Opfer und
Verletzten zugesagt. Auszerdem hat sie die Reform des nationalen
Wassergesetzes bewilligt, die die von den Einwohnern Cochabambas
geforderte Selbstverwaltung ermoeglicht.

Fuer Cameron Duncan, Experte fuer inter-amerikanische Fragen bei
'Public Services International', ist der Fall Cochabamba ein
entscheidender Schritt im Kampf gegen Globalisierung und eine
grosze Inspiration fuer die Gegner der Privatisierung der
Wasserversorgung.

Diese wird von den groszen multinationalen Konzernen seit dem UN-
Umweltgipfel in Rio de Janeiro im Jahre 1992 als Toploesung fuer
eine sichere und gerechte Wasserverteilung gepriesen - eine
Auffassung, der auch Weltbank und IWF anhaengen. So empfiehlt die
Bank im kuerzlich erschienenen Laenderbericht fuer Bolivien die
fortschreitende Privatisierung des Oel- und Bergbausektors sowie
die grundsaetzliche Entscheidung der Regierung, die meisten
Staatsfirmen zu verkaufen.

Wie die Weltbank in ihrem Report schreibt, geht sie davon aus,
"dass das notwendige schnellere Wachstum nur durch eine
Beschleunigung der Privatisierung zu erreichen ist". Kompromisse
sind dabei nicht erwuenscht. So hat sich die Weltbank in einem
Bericht ueber die bolivianische Ausgabenpolitik vom Juni 1999 auch
gegen subventionierte Wasserpreise fuer Cochabamba gestellt.

Gegen die Privatisierung der Wasserversorgung haben sich im Juni
die Teilnehmer einer Konferenz in Bruessel ausgesprochen. Auf der
Tagung der P-7 genannten sieben armen Staaten der Welt - Aegypten,
Aethiopien, Bolivien, Burkina Faso, Kambodscha, Madagaskar und
Senegal - warnten Experten davor, dass die Zahl der von privaten
Wasserversorgern abhaengigen Menschen bis zum Jahre 2015 von 300
Millionen auf 1,6 Milliarden ansteigen wird.

Olivera traeumt zur Zeit von einem Treffen mit Weltbank-
Praesident James Wolfensohn: "Ich wuerde ihn wirklich zu gerne
einmal fragen, wieso seine Bank eine Politik foerdert, die die
Aermsten Menschen der Welt immer aermer macht."
(Gumisai Mutume, IPS, 20. Oktober)
 

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