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Aussendungszeitpunkt: 28.10.2000
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Drei Berichte zu den Wiener Wickeln beim AMS und der Stadthalle plus ein Aktionsvorschlag:

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Wickel:

> AMS-Besetzung

Zehn Frauen besetzten letzten Donnerstag um 10 Uhr morgens die Bundesgeschaeftsstelle des AMS in der
Treustrasze in Wien-Brigittenau. Die Begruendung laut Flugblatt: Das AMS sei "die Institution, die
die Arbeitsmarktpolitik des Wirtschaftsministeriums gegen Erwerbslose umsetzt und uns mit
verstaerkten Kontrollen, Schikanen, Sperren und Zwangsarbeit in Billigstarbeit und
Beschaeftigungsprogramme zwingt".

Am Abend ging das Geruecht um, AMS-Chef Buchinger wolle raeumen lassen. Tatsaechlich rueckte dann auch
bald ein Polizeigroszaufgebot in rund 20 Fahrzeugen an und justierte sich recht martialisch. Als dann
auch noch die Donnerstagsdemo in die Treustrasze gelangte, wurde die Situation heikel.
Gluecklicherweise ging die Sache dann doch bis auf ein paar Gerangel mit Security-Angestellten ohne
physische Gewaltanwendung zu Ende und die Besetzerinnen verlieszen mit der Demo den Ort des
Geschehens. Pointe am Rande: Die Nationalratsabgeordneten Petrovic (Gruene) und Silhavy (SPOE), welche
zuvor zusammen mit dem Abgeordneten OEllinger (Gruene) mit den Besetzerinnen gesprochen und mit dem
Versprechen, deren Anliegen im Parlament vorzubringen, zur Beendigung der Aktion beigetragen hatten,
waren dabei noch fuer einige Minuten von den Securities am Verlassen des Hauses gehindert worden. Die
Besetzerinnen hingegen konnten unerkannt in der DemonstrantInnenmenge untertauchen.

Anschlieszend fuehrte die Demo zurueck in die Innenstadt, wo sie um zirka 22.15 Uhr vor dem Parlament
endete. Beim Weggehen von dort wurden um zirka 22.45 Uhr mindestens zwei Demonstranten wegen
angeblicher UEbertretungen der Straszenverkehrsordnung angehalten. Einer, der bei Rot eine Fahrbahn
ueberquert haben soll, berichtete, dasz ihm unter anderem Anzeigen wegen Laermerregung und Erregung
oeffentlichen AErgernisses angekuendigt wurden. Ein anderer Demonstrant, der nach einer angeblichen
StVO-UEbertretung angehalten wurde, soll - so der Vorwurf der Polizei - Widerstand geleistet und
dabei einem Beamten Hautabschuerfungen und einen verstauchten Finger zugefuegt haben. AugenzeugInnen
berichteten hingegen, dass der Demonstrant gegen ein Tor des Parlaments gestoszen wurde, wo er
anschlieszend festgehalten und perlustriert wurde. Der Demonstrant wurde in der Folge festgenommen.
(TATblatt/akin)

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> Protest gegen Haider-Veranstaltung

Mit mindestens zwei Festnahmen endeten die Proteste gegen die FPOE-Veranstaltung mit Joerg Haider am
Freitag in der Wiener Stadthalle. Davor war es den DemonstrantInnen zwar zeitweise gelungen, alle
Zugaenge zur Veranstaltung zu blockieren, allerdings erst, nachdem diese bereits begonnen hatte.
Nicht wie angekuendigt am Vogelweidplatz, direkt vor dem Eingang zur FPOE-Veranstaltung - dort war die
angemeldete Kundgebung von der Polizei untersagt worden -, sondern im Maerzpark starteten um 17.00
Uhr die Proteste anlaesslich des Auftakts zum Wiener Gemeinderats-Wahlkampf der FPOE. Nach einigen
Reden setzten sich um ca. 18.00 Uhr die mittlerweile rund 750 DemonstrantInnen dennoch in Richtung
Eingang zur Halle E, wo Kabas, Haider und Co. auftreten sollten, in Bewegung.

Bereits nach wenigen Metern wurden die DemonstrantInnen von rund zehn Skinheads angegriffen. Einige
DemonstrantInnen vertrieben die Skins, welche unter anderem in ein Lokal in der Huetteldorfer Strasze
fluechten konnten.

Um 18.20 Uhr stand die Demonstration rund 50 Meter vor dem Eingang zur Halle E, bei einer
Polizeisperre mit Tretgittern und mehreren Reihen von Beamten mit Helmen, Schilden und teilweise
gezueckten Schlagstoecken an.

Um 18.30 Uhr rief ein Linkswende-Aktivist ueber Megafon dazu auf, wieder zurueck zu gehen und lotste
so die DemonstrantInnen just zum maerzparkseitigen Haupteingang der Stadthalle, wo zwar auch eine
Zufahrt zur Halle E blockiert wurde, die meisten DemonstrantInnen aber ab ca. 18.40 Uhr die Zugaenge
zu den Stadthallen-Kassen belagerten. Um 18.45 Uhr flogen erste Farbbeutel zuerst auf die Scheiben
des Kassenraums, dann auch in den Kassenraum hinein und auf einzelne darin befindliche Leute. Dies,
obwohl bekannt sein musste, dass einerseits die FPOE-Veranstaltung auf der anderen Seite der
Stadthalle stattfand, und andererseits dafuer kein Eintritt verlangt wurde, es sich bei den an den
Kassen stehenden Leuten also keinesfalls um BesucherInnen der FPOE-Veranstaltung handeln konnte.

Erst gegen 19.00 Uhr, als der Groszteil der BesucherInnen der FPOE-Veranstaltung bereits in der Halle
E war, wies der Aktivist mit Megafon auf diesen Umstand hin, und erreichte damit, dass sich die
DemonstrantInnen wieder von den Kassen entfernten. Um 19.05 Uhr standen die DemonstrantInnen wieder
an der Polizeisperre Ecke Vogelweidplatz/Alberichgasse. Erst jetzt gelang es einzelnen Autonomen,
einen Teil der DemonstrantInnen dazu zu bewegen, sich auf verschiedene Zufahrtswege zur Halle E
aufzuteilen: in die Langmaisgasse und auf die andere Seite des Vogelweidplatzes zur Reuenthalgasse.
Die Polizei sperrte die betreffenden Straszen sogleich mit Tretgittern und BeamtInnenreihen, und liesz
groszteils auch FPOE-Anhaenger nicht mehr durch, die auf diese Weise ungewollt inmitten der
DemonstrantInnen festsaszen.

Ein FPOE-Anhaenger begann in der Langmaisgasse daraufhin wild um sich zu schlagen und verletzte einen
Demonstranten. Erst als sich die DemonstrantInnen zu wehren begannen, liesz ihn die Polizei doch
passieren.

Zu diesem Zeitpunkt gelang es weitgehend, zumindest die zu spaet gekommenen FPOE-Fans erfolgreich am
Betreten der Stadthalle zu hindern.

Um ca. 19.43 Uhr entdeckten die DemonstrantInnen an der Ecke Vogelweidplatz/Reuenthalgasse einen
Konvoi mit einem von Polizeifahrzeugen eskortierten Schwechater Mietwagen, der in eine
Garageneinfahrt einbog. Laufend versuchten sie, den Konvoi zu erreichen, um ihn aufzuhalten, kamen
aber zu spaet. Es war Joerg Haider, der da ungehindert zufahren konnte, wie sich spaeter herausstellte.
Bei der Alberichgasse wurde mittlerweile ein hoelzernes Scherengitter der Polizei verbrannt. Mitten
in der schoensten Lagerfeuerstimmung versuchte sich ploetzlich wieder ein FPOE-Anhaenger den Weg zur
Halle E zu bahnen. Nachdem er von der Polizei an deren Sperre zurueckgewiesen worden war, ging er auf
die DemonstrantInnen einschimpfend zurueck, wurde dabei aber von mehreren DemonstrantInnen attackiert
und bekam einige Hiebe ab. Um 20.07 Uhr mischten sich WEGA-Beamte ein, draengten die DemonstrantInnen
ab, und versuchten kurzzeitig auch, DemonstrantInnen aus der Menge zu fassen, zogen sich dann
allerdings doch wieder zurueck.

Andere Polizeibeamte loeschten das Feuer. Dann bildete sich eine Beamtenreihe mit gezueckten
Schlagstoecken vor dem Tretgitter. Als klar wurde, dass eine gewaltsame Raeumung unmittelbar
bevorstand, zogen sich die DemonstrantInnen rasch Richtung Maerzpark zurueck, woraufhin auch die
Polizei wieder hinter ihre Gitter zurueckging.

Rund 100 Leute bildeten einen Demonstrationszug zum Guertel und blockierten fuer wenige Minuten die
Kreuzung Guertel/Huetteldorfer Strasze.

Zirka 60 Leute zogen anschlieszend noch ueber die Westbahnstrasze in Richtung Innenstadt. Ohne
ersichtlichen Grund ueberfiel um 20.45 Uhr an der Ecke Westbahnstrasze/Hermannstrasze ploetzlich ein
WEGA-Trupp die DemonstrantInnen, zerrte zwei Leute aus der Demo, stiesz sie gegen eine Hauswand,
perlustrierte sie und nahm sie fest. Dabei versuchten die Beamten, den Sichtkontakt zwischen den
Festgenommenen und den restlichen DemonstrantInnen zu unterbinden. AugenzeugInnen konnten dennoch
eine recht unsanfte Behandlung und auch Schlaege wahrnehmen.

Nachdem die Festgenommenen weggefuehrt worden waren, setzten kurz nach 21.00 Uhr noch zirka 20 Leute
ihren Weg in Richtung Innenstadt. Gegen 21.30 Uhr loeste sich die Gruppe beim Volkstheater auf. Laut
Auskunft der Polizei gegenueber den Gruenen und Orange 94,0 sind die um 20.45 Uhr in der
Westbahnstrasze festgenommenen Antifaschisten inzwischen wieder frei. Weitere Festnahmen von
AntifaschistInnen soll es am Freitag laut Polizei nicht gegeben haben. (Online-TATblatt/gek.)

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> Drei Verletzte

Im unmittelbaren Anschluss an die Haider-Kundgebung wurden der Journalist János F., Daniel B. und
Robert H. von sieben offensichtlichen Sympathisanten der FPOE, die gerade die Stadthalle verlassen
hatten, brutal niedergeschlagen. Die Bilanz dieses Vorfalls: zwei Schwerverletzte, ein Verletzter.
János F. wurde von der Rettung direkt vom Ort des Geschehens mit dem Verdacht auf
Schaedel-Hirn-Trauma ins Hanusch-Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose: Schaedelprellung,
Gehirnerschuetterung und eine offene Wunde am Oberarm.

Nach einer Nacht auf der Intensivstation befindet sich F. gluecklicherweise am Weg der Besserung.
Daniel B. erlitt eine stark blutende Platzwunde am Kopf, etliche Bluterguesse und Schuerfwunden. Heute
Sonntag wurde im Wiener AKH ein gebrochener Mittelfinger diagnostiziert. Glueck im Unglueck war, dass
der danebenliegende Nerv knapp verfehlt wurde. Robert H., kam mit einem geschwollenen Gesicht,
einigen Abschuerfungen und dem Schrecken davon. Die Wiener Polizei konnte die rechtsradikalen Taeter
noch am gleichen Abend stellen. (dieKlone.at/gek.)

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Zum Ausdrucken, mit eigenem Namen versehen und abschicken:

Herrn
Bundespraesident
Dr. Thomas Klestil
Hofburg
1010 Wien
Wien, 21. Oktober 2000

Sehr geehrter Herr Bundespraesident,

ich schreibe Ihnen in groszer Sorge. - Die Rede von Joerg Haider in der Wiener Stadthalle am 20.
Oktober hat mich bestuerzt.

Woertlich hat Haider bei der Veranstaltung folgendes gesagt: "Dieses Land musz das Recht haben, sich
auszusuchen, wer hier zuwandern kann. Dieses Land musz die Moeglichkeit haben. Es kann hier nicht nur
einen Einwanderungsstopp geben, sondern es musz auch eine klare Sichtung jener, die hier anwesend
sind, geben. Es gibt viel zu viele Illegale, es gibt viel zu viele Straftaten, es gibt viel zu viele
Drogenhaendler. Alle haben hier in OEsterreich nichts verloren. Und das musz unser Interesse sein, hier
eine konsequente Beseitigung herbeizufuehren." Aus diesem Zitat geht meiner Auffassung nach klar
hervor, dasz das Wort "beseitigen" im Zusammenhang mit Menschen verwendet wurde und nicht mit
Miszstaenden, wie nun Frau Vizekanzler argumentiert. Ich finde das alarmierend.

Sehr geehrter Herr Bundespraesident, Sie haben die Mitglieder unserer Regierung eine Praeambel
unterschreiben lassen bezueglich demokratischer Umgangsformen. Ich frage Sie: was werden Sie tun, um
die Einhaltung dieser Praeambel durchzusetzen? Werden Sie die Regierungsmitglieder auffordern, sich
von dieser unertraeglichen Hetze auf einer Kundgebung einer Regierungspartei zu distanzieren?
Mit vorzueglicher Hochachtung

*Liesl Fritsch*
 

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