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Aussendungszeitpunkt: 2.10.2000; 2:00
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Kunst/Kultur/Kommerz:

> Marktlogik als Kunstgriff

oder: Morak heiszt der Staatssekretaer

Seit seiner Gruendung 1994 hat sich das Depot im Wiener
Museumsquartier zu einem hoechst lebendigen Diskussionsforum
entwickelt. Nun muss die (kultur)politisch unliebsame
Kulturinstitution am 31. Oktober ihren Betrieb in der bisherigen Form
einstellen. Anbeginn einer neuen Kulturpolitik unter dem Banner der
"Kreativwirtschaft"?

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Mit Phrasen wie "Wir wollen serviceorientierter werden, geschwinder,
um schneller Taten setzen zu koennen" charmiert Staatssekretaer Franz
Morak in einem Interview fuer die Zeitschrift "Frame" im Macher-Stil
und rueckt die neue Foerderpolitik der schwarzblauen Bundesregierung
ins rechte Licht. Doch freilich kann es nicht jeder dem innovativen
Imagedesign staatlicher Dienstleistung light recht machen. Zum
Beispiel nicht das Depot. Welches wohl eher den Kholschen Boecken als
den Schafen zugerechnet wird.

So beschraenkte sich die vom Herrn Staatssekretaer erwaehnte
"Serviceleistung" im Falle des Depot auf eine drastische
Budgetkuerzung (insgesamt 30 Prozent weniger als im Vorjahr). Von
"schnelleren Taten" war nicht wirklich etwas zu bemerken. Denn bis
dato wurde dem Depot blosz ein Drittel der Jahressubvention
ueberwiesen. Die restlichen zwei Drittel sind erst vor kurzem, als das
Depot schon bei der Bank hoch verschuldet und zahlungsunfaehig war,
endgenehmigt worden - nach mehrmaligen verzweifelten Anrufen der
Geschaeftsfuehrerin. Ist das der Geist der neuen Serviceorientierung,
die erst dann "schnelle Taten setzt", wenn Opferstatus vorherrscht? So
hat es den Anschein, dass gemaess dem Motto "Die Hand, die dich
fuettert, sollst du nicht beiszen" Subventionsvergaben als Gnadenakte
verstanden werden sollen.

Damit nun aber in Zukunft alles "geschwinder" werden kann, gibt es
seitens des BKA einmal keine Foerderzusage fuer das Jahr 2001.
("Serviceorientiert" scheint sich also nur auf den Subventionsnehmer
zu beziehen.) So wurde das Depot aufgefordert, sein schon vor Monaten
gestelltes Subventionsansuchen fuer das naechste Jahr zum 31. Jaenner
2001 neuerlich einzureichen. Da sich der Herr Staatssekretaer nicht
vorzustellen vermag, dass Kulturinstitutionen ihr Programm planen
muessen, scheint sich der neue Modus der Kulturpolitik nun immer
klarer abzuzeichnen. Unliebsamen Institutionen wird durch
administrative Ablaeufe - die entweder einfach unprofessionell sind
oder gezielt demotivieren sollen - das Ueberleben so schwer gemacht,
dasz sich das laestige Problem ihrer Existenz frueher oder spaeter von
alleine loest. Doch die nicht erfolgte Finanzierungszusage macht nicht
nur eine langfristige Programmplanung und internationale Kooperation
unmoeglich, sondern gefaehrdet auch die Existenz des Depot.

Das Vorgehen des Subventionsgebers steht somit voellig in Widerspruch
zum Regierungsprogramm, das eine "bessere Planung fuer Kulturarbeit
durch Mehrjaehrigkeit der Foerdervertraege" vorsieht. Im Depot hatte
man sich indes auf diese serviceorientierte Kulturpolitik
einzustellen. Umsetzungsorientiert heiszt das: Alle MitarbeiterInnen
muszten aufgrund der drastischen Subventionskuerzung und mangels einer
Finanzierungszusage fuer 2001 im Sinne einer korrekten
Geschaeftsgebarung bereits gekuendigt werden. Der Betrieb wird in der
gewohnten Form mit Ende Oktober eingestellt werden. Ab diesemZeitpunkt ist
im besten Falle die Einrichtung eines minimalen
Journaldienstes moeglich. Ausserdem muss das Depot wegen
Renovierungsarbeiten im April 2001 zusammen mit den Institutionen
basis wien, public netbase t0 und springerin das Museumsquartier
verlassen, da sein Prekarium von der Museumsquartier GesmbH widerrufen
wurde. Es wurde weder ein Ersatzquartier angeboten noch ein weiterer
Verbleib im Museumsquartier in Aussicht gestellt. Obwohl die
zahlreichen Besucher des Depot, aber auch die anderen Institutionen
des Museumsquartiers, von den kleinen Initiativen bis hin zu den
grossen Museen, sich fuer den Verbleib des Depot (wie auch der anderen
drei Prekaristen) im Areal ausgesprochen haben, zeigt man im
Staatssekretariat fuer Kunstangelegenheiten an der Erhaltung von
Initiativen zur Vermittlung zeitgenoessischer Kunst sowie an der
Herstellung einer kritischen Oeffentlichkeit kein Interesse.

Welcher Kunst- und Kulturbegriff ist es nun aber, der dem Handeln des
Herrn Staatssekretaer Morak zugrundeliegt und folglich die
Subventionskriterien der Kunst- und Kulturpolitik des Bundes kuenftig
formieren wird?
 

Standortfaktor "Kunst"

Freilich ist dieser Mann nicht zufaellig fuer die OeVP geschaeftig. In
seiner richtungsweisenden Eroeffnungsrede auf dem 1999 im Siemens-
Forum abgehaltenen Symposium "Die organisierte Kreativitaet. Kultur.
Software. Wachstum" konnte der Ex-Punk und Ex-Buergerschreck Morak
endlich seine Visionen ueber Kunst und Gesellschaft dartun und
raesonierte zum Auftrag des Kulturpolikers. In einem flapsigen Aper‡u
entwickelte Morak seine Weltanschauung kuenftiger Kunstmaerkte, d.h.
der "zwingenden Symbiose zwischen kreativer Intelligenz und
Wirtschaft" am Beispiel der Swatch-Uhr. Gegenueber der uebermaechtigen
asiatischen Konkurrenz habe sich die Schweizer Uhrenindustrie namens
Swatch nur mit einem kreativen Kraftakt behaupten koennen, die das
Produkt, naemlich die Swatch-Uhr, kulturell auflud: "...rund um die
Swatch gibt es eine Erzaehlung, die dem Konsum seinen Sinn verleiht"
(S. 8). Die Lehre, die Morak daraus fuer die Kulturpolitik zieht,
besteht darin, den Wettbewerb ("beste Qualitaet", "kleinster Preis")
staerker an die Kunstproduktion zu binden. Sein Credo fuer das
neoliberale Foerderprofil basiert auf einer diffusen Vorstellung von
trendsetting: "Kreativitaet organisiert sich heute um industrielle
Produkte" (S. 9). Das Ziel dieser Bewirtschaftung des kreativen
Humankapitals muendet schlieszlich in die kulturelle
Standortsicherung, denn, so Morak, "Der Stefan Steigner macht zusammen
mit dem MIT Musik. Wieso musz er das mit dem MIT machen, wieso kann
das nicht hier passieren?" (Frame, S. 125).

Die Vorstellungen von Morak ueber Kunst und Kultur kreisen immer
wieder um Neue Technologien, Neue Medien, Zukunftstechnologien,
Wachstumsmaerkte. Unter dem schwarzblauen Banner soll sich "endlich"
Kunst und Geld vermaehlen, da "Kultur heute einen Wirtschaftsfaktor
ersten Ranges" (Intro, S. 9) darstellt.

Gemaesz Moraks Wirtschaftsfibel soll sich zeitgemaesze Kunst mit der
Aufgabe bescheiden, den in der Massenproduktion gefertigten Waren ein
individuelles Image zu verleihen: "Die wirtschaftliche
Auseinandersetzung mit konkurrierenden Anbietern in einer global
abrufbaren Produktion wird zunehmend auf einer kulturell aufgeladenen
Ebene gefuehrt." Der Kunstproduktion erwaechst nach Moraks Willen
einemarktwirtschaftliche Verantwortung und soll mithelfen, dass
Oesterreich im "gigantischen kulturellen Wettbewerb, der mit der
europaeischen Integration verbunden ist" (Intro, S. 11) bestehen kann.
Kunstfoerderungspolitik orientiert sich nach Morak an den Paradigmen
der Elitenfoerderung: "Wir sollten dabei schon Groeszenordnungen wie
das ZKM in Karlsruhe oder das MIT in Cambridge, Massachussetts, im
Auge haben, wenn wir an Kooperationen fuer ein Projekt im
Museumsquartier denken."

Demzufolge wird Kunst erst dann legitim und sozial erwuenscht, wenn
diese als Wirtschafts- und Standortfaktor nachweisbar wird. Daher
betont Morak immer wieder den Stellenwert von Evaluationen, die die
Foerderungswuerdigkeit von Projekten beurteilen: "Ich glaube auch,
dass Politik innerhalb dieses Mechanismus, den wir
Kunstfoerderungspolitik nennen, hauptsaechlich eine Sacharbeit sein
soll. Ist ein Projekt gut oder ist es nicht gut, das ist hier die
Frage." (Frame, S. 123). Der sogenannten "Sacharbeit" geht freilich
eine selektive Fragestellung voraus, nach welcher die Projekte
beurteilt werden und die darueber entscheidet, ob ein Projekt "gut"
ist: stellt das Projekt einen relevanten Wirtschaftsfaktor dar - oder
nicht?
 

Die Autoritaet der Sachzwaenge

Das politische Ressentiment der schwarzblauen Regierung  bedient sich
des Vehikels der Sprache der oekonomischen Sachzwaenge. Nach
offizieller Sprachregelung werden die mit der rechtskonservativen
kulturellen Hegemonie verknuepften Machtinteressen neutralisiert und
in den Schlagworten "Sachzwang", "Strukturanpassung",
"Modernisierung", "Wirtschaftsfaktor", "Kultureller Wettbewerb",
"Evaluation", "Expertengutachten", "Rahmenbedingung" etc. nobilitiert.
Das Ziel dieser "Versachlichung" des kulturellen Antagonismus ist es,
moeglichst wenig politische Angriffsflaechen zu bieten, aus der
Kulturdebatte jeglichen politischen Inhalt zu saeubern, und letztlich
Kunst und Kultur auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen zu
reduzieren. Das Leitmotiv fuer die "Strukturanpassung" der
Kunstproduktion ist ein Stehsatz von Morak und findet sich in
saemtlichen seiner kulturpolitischen Aussagen: naemlich die
Unterordnung der Kunstfoerderung unter die Logik
kapitalwirtschaftlicher Investition.

So "differenziert" und "sachlich" auch die verschiedenen
betriebswirtschaftlichen Existenzurteile der neuen Autoritaeten, der
"Experten" und "Spezialisten" ausfallen werden, das politische
Ressentiment gegenueber sozialdemokratischer Kunstpolitik bildet den
Basiskonsens: "Ein zentraler Aspekt des Versagens der Kulturpolitik
der oesterreichischen Sozialdemokratie liegt in der Unfaehigkeit, den
wirtschaftlichen Aspekt kulturpolitischen Handelns zu erkennen. Der
"Arme Poet" des Malers Spitzweg ist immer noch der ideale
Repraesentant der Zielgruppe sozialdemokratischer kulturpolitischer
Initiativen: eine gesellschaftliche Randexistenz, unfaehig, den
eigenen Lebensunterhalt selbst zu organisieren" (Intro, S. 9).

Um das neoliberale Kunstmanagement als Reformprojekt zu legitimieren,
braucht Morak die Annahme eines skandaloesen Ursprungsmythos, in
dessen Herzen er "Miszstaende" und "Verschwendung" argwoehnt, "die wir
endlich abstellen wollen." (Intro, S. 7). Die "hehre"
sozialdemokratische Kulturpolitik sei durchdrungen von "Miszstaenden",die
"tatsaechliche kreative Prozesse", die ueber den Markt reguliert
und nachgefragt werden, hemmen wuerden(Frame, S. 124). Waehrend der
sozialdemokratische Gegner Kultur politisiere, ginge es ihm, dem
Morak, ausschlieszlich um "Sachlichkeit" im Zeitalter eines
"gigantischen kulturellen Wettbewerbs" (Intro, S. 11). Diese
"Sachlichkeit" besteht aber aus nichts anderem als dem Versuch, die
herrschenden Gesetze des kapitalwirtschaftlichen Marktes moeglichst
effektiv auf die Kunstproduktion und -vermittlung zu adaptieren.
Freilich werde es auch hier wieder renitente Kuenstlersubjekte geben,
die fuer HT-Firmen wie Siemens, Alcatel oder Gericom schwer
vermittelbar sein werden. Diese muessten sich halt den neuen
Strukturzwaengen anpassen. Als so ein "marktsperriges" Subjekt
bezeichnet Morak, im Gestus eines paranoiden Anti-Etatismus, die
"Avantgarde", die von "riesigen Verwaltungsmaschinen" und
"gigantischen buerokratischen Apparaten" am Leben erhalten wird.

Die systematische Penetration der Marktlogik umbeschreibt Morak gerne
mit Begriffen wie "Netzwerkphilosophie". Projekte, die sich an der
Kapitalverwertungslogik nicht beteiligen, werden von Morak als
"autistisch" abgetan. So werden die jetzt bestehenden kulturellen
Einrichtungen im Museumsquartier schnell mal mit der Metapher des
Schrebergartens abqualifiziert und deren Selbstorganisation flapsig
mit "Autismus" (Frame, S. 124) pathologisiert. Demgegenueber wertet
Morak indes, gewohnt inkonsequent, den individuellen Besitzerstolz
auf, indem er den Erwerb von Kunstwerken zur conditio humana
verklaert: "Ebenso wird es in der Kunst immer die Sehnsucht geben,
etwas zu kaufen" (sic!). Von diesem Menschentypus, der ausschliesslich
zum Behufe individueller Befriedigung akkumuliert, spricht Morak
jedoch nicht im Autismus-Verdacht, weil er sich durch seine
wirtschaftliche Nuetzlichkeit bewaehre. Im Gegenteil. Morak ueber die
psychologische Triebstruktur des Kunstmaezens: "Das gehoert ganz mir
alleine, das ist ein Stueck von mir", denn der Staatssekretaer weisz
als Universalhistoriker: "Das Kunstobjekt als Fetisch ist natuerlich
ewig, so wie jeder Mensch einen Fetisch braucht, das ist seit der
Steinzeit so" (Frame, S. 125). Ramon Reichert
 

Quellen:

Franz Morak, Wir sind eine Kontextgesellschaft, Interview mit
Alexander Puehringer. In: Frame 3/2000, 122-125

Franz Morak, Intro. Die Kreativwirtschaft und der Auftrag des
Kulturpolitikers. In: Franz Morak (Hg.), Die organisierte
Kreativitaet. Kulturpolitik an der Wende zum 21. Jahrhundert. Wien:
Edition Atelier 2000.
 

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Kasten

> Das Depot im Museumsquartier. Ein Nekrolog.

Das Depot, 1994 von Stella Rollig gegruendet, ab 1997 vonBundeskurator
Wolfgang Zinggl, ab 2000 vom Bundeskanzleramt finanziell
gefoerdert, wendet sich mit seinem Programm an ein kunstinteressiertes
Publikum, das die theoretische Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst
sucht. Das Depot bot KuenstlerInnen die Gelegenheit, ihre Arbeit mit
einer interessierten Oeffentlichkeit intensiv zu diskutieren. Darueber
hinaus wurden im Rahmen von Vortraegen und Praesentationen
international relevante Tendenzen der zeitgenoessischen Kunst und
Kunsttheorie vorgestellt und analysiert.

Ueberdies bot das Depot seit seinem Bestehen ein Forum kritischer
Oeffentlichkeit. Denn in besonderem Masz widmete sich das Programm
jenen kuenstlerischen Arbeiten, die gesellschaftlich relevante Fragen
wie Kapitalismus-, Rassismus- und Sexismuskritik, Biotechnologie, neue
Kommunikations- und Ueberwachungstechniken aufgreifen. Seinem
interdisziplinaeren Ansatz entsprechend lud das Depot internationale
TheoretikerInnen aus Kunsttheorie sowie Philosophie, Politologie,
Soziologie, Filmwissenschaften, Cultural und Gender Studies zu
Vortraegen und kontroversiellen Diskussionen ein.

Darueber hinaus wurden im Depot Kunstzeitschriften und -buecher, Film-
und Videoarbeiten praesentiert und in Workshops kunstrelevante
Fragestellungen erarbeitet. Die Depot-Raeumlichkeiten konnten von
verschiedensten Projektgruppen genutzt werden, u.a. um ihre Anliegen
und Projekte einer breiteren Oeffentlichkeit vorzustellen und
kulturpolitische Fragen zu diskutieren. Die aktive Beteiligung und
Mitgestaltung des Publikums war ebenso wichtiger Bestandteil des
Konzepts wie die kritische Auseinandersetzung mit kuenstlerischen
Inhalten und das staendige Infragestellen theoretischer Positionen.
Zusaetzlich wurde eine Freihand-Bibliothek (etwa 3.000 Titel, mit den
Schwerpunkten Kunsttheorie, Cultural- und Gender Studies, Feminismus,
Medientheorie, Ausstellungskataloge) sowie eine Videothek (etwa 500
Titel - sowohl KuenstlerInnen-Videos als auch Dokumentationen)
aufgebaut. RR
 

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