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Aussendungszeitpunkt: 24.5.2000, 2:18
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Der Polizei ist fad...:
> Ein inszenierter Krawall

Wie die Wiener Alarmabteilung vor dem Innenministerium wieder einmal
fuer ihre eigene Unentbehrlichkeit sorgte

Eigentlich haette es eine Demo gegen den Kommers von katholischen
Burschenschaften am Michaelerplatz werden sollen. Zumindest hatte die
Polizei das schon vorher in Aussendungen angekuendigt und darin von
befuerchteten Ausschreitungen gesprochen. Dementsprechend kam es an
der Sperrkette zum Michaelerplatz zu den vorhergesagten
Ausschreitungen. Und die Sonntagszeitungen berichteten brav, dasz die
boesen Demonstranten den Kommers haetten stuermen wollen und dabei
mehrere Polizisten verletzt worden waeren, weswegen es zu einigen
Festnahmen kam. Einziger Schoenheitsfehler dabei: Es gab gar keinen
Demonstrationsaufruf gegen den Kommers.

Die Ursache jener Kleindemo, die da am Samstag kurz nach 14 Uhr von der
Volkstanzveranstaltung am Heldenplatz durch die Bruno-Kreisky- und die
Figlgasse in die Herrengasse zum Innenministerium kam (das ja nur ein
paar Meter vom Michaelerplatz entfernt ist), war viel brisanter: Der
dritte Tote unter Polizeieinwirkung in drei Wochen -- das dritte Mal,
wo ein von der Polizei als Drogendealer deklarierter Mensch bei einem
von der Polizei als Unfall deklarierten Geschehen ums Leben kam.
(Bekanntermaszen hatte in der Nacht auf Samstag ein Polizist einen des
Drogenhandels verdaechtigen Autoinsassen aufgefordert, auszusteigen,
worauf dieser die Autotuer oeffnete und damit den Beamten nach Angaben
der Polizei so ungluecklich traf, dasz sich aus der Dienstwaffe ein
Schusz loeste. Das Opfer war unbewaffnet gewesen, im Auto befanden
sich keine Drogen. In dem Lokal, das der Verdaechtige verlassen hatte,
konnte lediglich Cannabis festgestellt werden.)

Jene Demonstration wird von Anfang an von Polizei verfolgt. Ploetzlich
ist ein Polizist verletzt. Ob er tatsaechlich -- wie von der Polizei
verlautbart -- von einem Demonstranten attackiert worden ist, oder im
Gewirr der Helme, Schilder und Polizeipruegel einfach nur beim Rennen
gestolpert ist, ist wohl kaum mehr mit Sicherheit eruierbar. Auf alle
Faelle geht jetzt alles sehr schnell. Die Demo steckt in der
Herrengasse, vor sich die Sperrkette zum Michaelerplatz, hinter sich
der verfolgende Polizeitrupp. Die Eingesperrten wollen fluechten, es
kommt zum Gerangel, Schlaege der Polizei mit Knueppeln und Schildern.
Zumindest fuenf werden verletzt, zwei brauchen anschlieszend eine
Spitalsbehandlung.

Doch damit ist die Sache nicht ausgestanden. Etwas mehr als zwanzig
polizeikritische Menschen finden sich nun auf Tuchfuehlung von
ebensovielen Alarmabteilungsbeamten umringt. Einsatzleiter ist ein
Ziviler: Gerd Zander von der Stapo. Gluecklicherweise ist mittlerweile
der Rest der "Volkstanz"-Beteiligten vom Heldenplatz auf den
Michaelerplatz gekommen, spaeter Mobilisierte kommen ebenfalls
dorthin. Ein Anwalt ist da, Oellinger und Petrovic von den Gruenen,
zwei Reporter von Radio Orange. Debatten mit der aeuszeren Sperrkette
der Polizei. Rund 200 Menschen stehen jetzt genau auf jenem
Michaelerplatz, den die Polizei doch beschuetzen wollte. Hin und
wieder tauchen CVler mit ihren gelben Kaeppis auf und schauen sich
auch jenen Polizeieinsatz an, fuer den sie eigentlich die Ursache
waren. Die Szene hat etwas Skurrilles.

Dreieinhalb Stunden dauert es, bis die Polizei mit der Ausweispruefung
und Leibesvisitation der Angehaltenen fertig ist. Anzeigen werden
erstattet, heiszt es. Weswegen genau? Man weisz nicht. Vielleicht
wegen Unterstuetzung jenes Polizistenverletzers, von dem man nicht
genau weisz, ob es ihn ueberhaupt gegeben hat. Vielleicht wegen
Vergehens gegen das Versammlungsgesetz. Vielleicht auch wegen
Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Gegen 18 Uhr loest sich die Sache auf. Resuemee: Die Realitaet hat uns
wieder. Der Demonstrationsfriede ist aufgekuendigt, weil die Polizei
der Meinung ist, dasz der Widerstand gegen die Regierung und auch
gegen die Zustaende in diesem Lande schon so schwach ist, dasz man den
Rest ruhig wegpruegeln kann. Man kann nur hoffen, dasz unsere
Obrigkeiten in naechster Zeit doch noch eines Besseren belehrt werden.
*Bernhard
Redl*

***

Kommentar:

> Columbo statt Kojak

Irgendwie haeufen sich die Zu- und Unfaelle, denen unter staatlicher
Beteiligung mutmaszliche Drogendealer zum Opfer fallen. Die Sache im
14.Bezirk steht ja bekanntermaszen nicht alleine da. Allerdings hat
sie doch eine andere Qualitaet. Waehrend bei den beiden Faellen Anfang
Juni Sicherheits- und Justizwachebeamte -- wegen der
Unschuldsvermutung nehmen wir einmal an, deren
Sachverhaltsdarstellungen haben etwas mit der Wahrheit zu tun --
lediglich wegen ihrer etwas schleiszig wahrgenommenen Obhutspflicht zu
kritisieren sind, wurde im Fall des Imre B. eine Schuszverletzung zur
Todesursache. Das ist Faktum. Auch hier wollen wir annehmen, dasz der
Schusz tatsaechlich nicht willentlich vom Beamten abgefeuert wurde.

Was bleibt dann uebrig? Es bleibt auch hier eine gewisse
Leichtfertigkeit gegenueber dem Leben von Menschen, die gemaesz der in
Oesterreich gueltigen Kronenzeitungserklaerung von den Menschenrechten
ausgenommen sind. Es bleibt eine Glock-Dienstpistole -- die ja dank
ihrer Bauweise im gezogenen Zustand auch entsichert ist -- die ein
Polizeibeamter auf einen Menschen richtete.

Imre B. war nicht eines Gewaltverbrechens verdaechtigt worden, sondern
des Cannabis-Handels. Er haette dennoch bewaffnet sein koennen.
Natuerlich. Aber dieser Logik folgend mueszten oesterreichische
Polizeibeamte bei jeder Amtshandlung wie Lieutenant Kojak, Elliot Ness
oder Wyatt Earp auftreten -- die Krach'n immer im Anschlag.
Schlieszlich koennte ja beispielsweise auch ein Radfahrer, der gerade
bei Rot ueber die Ampel gefahren ist, ploetzlich eine Pumpgun aus
seiner Packtasche holen. Moeglich waers.

Der Sohn meiner Nachbarn bekommt immer Fernsehverbot, wenn er was
angestellt hat. Ich weisz nicht, ob das bei Kindern wirklich eine so
gute Erzeihungsmethode ist, aber vielleicht sollte man das bei manchen
Polizisten einmal versuchen. Oder zumindest dafuer sorgen, dasz der
einzige Krimiheld, den sie in der Flimmerkiste zu Gesicht bekommen,
Inspektor Columbo heiszt. *br*

***

Demo gegen Polizeigewalt

Die für Dienstag angekuendigte, aber aus organisatorischen Gruenden
nicht wirklich zustande Kundgebung gegen Polizeigewalt wurde auf, heute,
Mittwoch, Mariahilferstraße / Ecke Neubaugasse verschoben, meldete
die Kommunistische Aktion in einer Aussendung.



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