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Aussendungszeitpunkt: 4.4.2000; 23:09
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Glosse:

> Die gewaltlose OeVP und die gewaltbereiten Linken

Die OeVP foerdert derzeit die in Oesterreich perfekt eingespielte
Praxis eines augenzwinkernden Opportunismus gegenueber jeglichen
faschistoiden Tendenzen und das Einbunkern in einen dumpfen
Nationalismus nach dem Motto: alle sind gegen uns, jetzt muessen
wir zusammenstehen! Das massive Anwenden der patriotischen
Methode, wenn es nur irgendwie der OeVP zugute kommt, ist im
reaktionaeren Polit-Christentum in Oesterreich nichts neues. Im
Juni 1986 wurde der OeVP-Kandidat Kurt Waldheim trotz des
Verschweigens seiner Rolle im NS-Regime im 2. Wahldurchgang mit
53,89 Prozent der Stimmen ins Amt des Bundespraesidenten gehievt.
Um die politische Wende herbeizufuehren, schreckte die OeVP auch
vor dem Gebrauch der wuestesten Verhetzungen nicht zurueck. Die
patriotische Kampfparole war 'jetzt erst recht`. Und natuerlich
wieder plumpester, mit Antisemitismus gemischter Nationalismus:
die juedische Weltverschwoerung wuerde der oesterreichischen
Bevoelkerung das verfassungsmaeszige Recht auf die Wahl des
Patrioten Waldheim verwehren.

Diese rot-weisz-rote Opferrolle hervorhebend, war der
schlieszliche Sieg Waldheims fuer die OeVP unter Mock `ein
Ausdruck des oesterreichischen Selbstbewusztseins'. So aehnlich,
wie sich Schuessel jetzt ueber die Beteiligung der FPOe begeistert
aeuszert, war dies von Mock ueber Waldheim zu hoeren: "Oesterreich
hat nach dem haeszlichsten und haertesten Wahlkampf in der
Geschichte der 2. Republik einen Bundespraesidenten, auf den es
stolz sein kann." Dasz dies eine glatte Luege war, duerfte sogar
manchen OeVP-Kreisen klar gewesen sein, aber man hatte nunmal den
eigenen Kandidaten ohne Ruecksicht auf Verluste durchgeboxt und
konnte eventuell bei einem groszen Teil der Kriegsgeneration
punkten, fuer den die Vergangenheit im NS-Regime aus
`Pflichterfuellung' und sonst gar nichts bestand.

Die Praxis des politischen Antisemitismus - z.B. Wahlplakate der
OeVP, die suggerierten, dasz der aus einer juedischen
groszbuergerlichen Familie abstammende Kreisky kein `echter
Oesterreicher' waere - muszte die OeVP der Zweiten Republik nicht
erst erfinden. Radikale christlich-soziale Antisemiten wie Karl
Lueger hatten diese Form der Politik bereits erfolgreich zur
Erringung von Wahlsiegen salonfaehig gemacht. "1896, beim ersten
christlichen Arbeitertag in Wien, der von Leopold Kunschak
einberufen worden war, erklaerte Lueger: `Die Sozialdemokratie ist
jetzt durch ihren Fuehrer eine Judenschutztruppe geworden, sie
wird von den Liberalen zum letzten Kampf gegen die
Christlichsozialen verwendet.' Leopold Kunschak fuegte hinzu:
'Selbstverstaendlich ist jeder Christlichsoziale auch
Antisemit.'" (1)

Propagandistisch wurde damit die kontinuierliche
Vorbereitungsarbeit fuer das Tolerieren oder gar Unterstuetzung
der Bevoelkerung gegenueber den nationalsozialistischen
Judenverfolgungen und Massenmorden eingeleitet. Dies ist umso mehr
durch das Beispiel Adolf Hitlers belegt, der in seinen Wiener
Jahren ein bewundernder Schueler Karl Luegers und des
Antisemitismus der Christlich-Sozialen geworden war. Hitler: "Mit
dem scharfen antisemitischen Ton war ich nicht einverstanden (...)
aber ich las auch hin und wieder Begruendungen, die mir einiges
Nachdenken verursachten (...) Jedenfalls lernte ich aus solchen
Anlaessen langsam den Mann und die Bewegungen kennen, die damals
Wiens Schicksal bestimmten. Dr.Karl Lueger und die
Christlichsoziale Partei...' Durch sie habe er (Hitler) seine
Ansichten zum Antisemitismus geaendert. Dies sei wohl seine
schwerste Wandlung ueberhaupt gewesen. Seine gerechte Beurteilung
Luegers wurde zur `unverhohlenen Bewunderung'. (Hitler:) `Heute
sehe ich in dem Mann mehr noch als frueher den gewaltigsten
deutschen Buergermeister aller Zeiten.'" (2)

Dazu und zu der leicht abzuleitenden Mitverantwortung der
Christlich-Sozialen am Holocaust, den Massenmorden an der
juedischen Wiener Bevoelkerung, herrscht Funkstille innerhalb der
Nachfolgepartei OeVP. Die OeVP wuerde eher geschlossen aus der
roem-kath. Kirche austreten, als der Umbenennung des Lueger-
Platzes oder der Lueger-Kirche zuzustimmen, da dies mit einer
oeffentlichen Aufarbeitung der Parteigeschichten der beiden
Republiken verbunden waere. Eventuell koennten sich manche Kreise
innerhalb der OeVP vielleicht noch die Umbenennung in Dollfusz-
Platz vorstellen. Denn mit dem kleriko-faschistischen
Bundeskanzler und dem Austrofaschismus, der von konservativer
Geschichtsschreibung niedlich als Staendestaat bezeichnet wird,
hat auch die heutige OeVP nicht wirklich ein Problem (sieht man an
der aktuellen Umstrukturierung der Ministerien). Wenn`s doch
Argumentationsprobleme gibt, kann man sich immer noch Schuschnigg
anschlieszen, der nach dem Krieg gemeint hatte, Dollfusz wollte
einfach nur Schlimmeres wie z.B. Hitler verhueten. Wahrscheinlich
haben die Austrofaschisten deshalb dann auch die
Sozialdemokratische und die Kommunistische Partei verbieten
muessen, denn sonst waer' der tolle Plan nicht wirklich
aufgegangen. Aehnlich `entspannt' werden 1927, 1934 und der
blutige Terror der von der Armee unterstuetzten Heimwehren
gegenueber Sozialdemokraten und Kommunisten betrachtet, wobei
saemtliche Strukturen der Arbeiterbewegung brutal zerschlagen
wurden.

Nach dieser kurzen Auswahl aus einer ruhmvollen Parteigeschichte
musz aber jetzt geschildert werden, wozu die OeVP in Zeiten wie
diesen aber auf gar keinen Umstaenden schweigen kann: das ist die
vermutete Gewaltbereitschaft bei den Linken, die nach dem Motto
`wehret den Anfaengen' massiv bekaempft werden musz. Denn
Privatisierungen um jeden Preis mit der Folge massenhafter
Arbeitslosenzahlen, Zerschlagung der Arbeitnehmerinstitutionen,
hoeherer Steuern und eines Zurueckschraubens `voellig
uebertriebener' Sozialleistungen sind keine Gewalt, umso mehr
linker aktiver Widerstand gegen die Auswuechse neoliberaler
interventionsfreier Oekonomie. Aber vielleicht schafft ein
Arbeitsdienst fuer Langzeitarbeitslose beim Denkmalputzen oder
Schneeschaufeln das noetige blinde Gottvertrauen, um den Glauben
an die Kraefte des freien Marktes zu gewinnen. Und aufgrund dieser
`schoepferischen' Energie der OeVP, die soziale Lage in
Oesterreich zu verbessern, sind wir auch bekehrt und sehen alle
unsere Gewaltbereitschaft ein, so wie Schuessel das 1996 in einem
Brief an die akin erklaert hatte: "Die OeVP kann einer Foerderung
einer radikalen, teils gewaltbereiten Szene nicht zustimmen. Das
hat weder mit `Zensur' noch mit 'Einschraenkung der
Pressefreiheit' zu tun, da es den Zeitschriften unbenommen ist,
weiterhin zu erscheinen, solange sich diese nicht strafbar
machen." Damit wir das aber auch wirklich alles einsehen, gibt es
bald den verbilligten Zeitungstarif und dadurch uns in dieser Form
vielleicht auch nicht mehr. Aber wenigstens gibt es weiterhin die
gewaltlose OeVP. *Fritz Pletzl*


1 Spitzer Rudolf, Des Buergermeister Lueger Lumpen und
Steuertraeger, Wien 1988, S 96.
2 ebd. S 109



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