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Aussendungszeitpunkt: 8.3.2000; 14:00
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FPOeVP/Geschichte/Recht/Kommentar:

> Das Bilderverbot

Aus aktuellem Anlasz: Warum die oesterreichische Art des
gesetzlich verankerten Antifaschismus im besten Falle sinnlos war

*

Hubsi Kramars Hitler-Auftritt war der Hoehepunkt der Wiener
Faschingszeit. Der Staat reagierte dementsprechend, nahm "Hitler"
und seinen Chauffeur fest wegen "NS-Wiederbetaetigung". Schoener
kann so eine Performance ja gar nicht enden - es sei denn,
Justizminister Boehmdorfer gaebe der Staatsanwaltschaft die
Weisung, Kramar tatsaechlich wegen Verletzung des Verbotsgesetzes
anzuklagen.

Tatsaechlich kann man ueber die Aussage eines Hitler-Auftritts
geteilter Auffassung sein. Das ist ja das Schoene an wahrer Kunst,
dasz sie Fragen stellt und zu Diskussionen anregt. Ein Blick auf
die Diskussionsseite des Online-Standard beweist die Wirksamkeit
der Aktion. Kramar wollte zeigen, "wie salonfaehig Rassismus in
Oesterreich bereits ist" meint ein Diskussionsteilnehmer, waehrend
ein anderer ueberzeugt ist, die Aussage waere: "Ist es wirklich
das, worueber wir hier reden sollten, wenn wir doch eigentlich
Herrn Dr. Haider meinen? Laszt uns doch objektiver differenzieren.
Macht doch diesen Provinzpolitiker nicht so grosz".

Fuer mich gibt es aber in Verbindung mit der Anzeige noch eine
ganz andere Aussage: Seht her, es gilt immer noch das
Bilderverbot! Du darfst den Nazi nicht zeigen, nicht benennen,
nicht spielen. Aber du darfst ruhig einer sein, wenn du nur die
Gaskammern als erwiesen akzeptierst und das Hakenkreuz nicht
verwendest.

Man erinnere sich an Andreas Wabls Aktion 1987 im Parlament und
die Reaktionen darauf! Mit den Worten "damit sie wissen, unter
welcher Fahne unser Praesident seine Pflicht erfuellt hat" hatte
der gruene Abgeordnete eine Hakenkreuzfahne entrollt - eine Aktion
also, an deren antifaschistischem Gehalt nicht zu zweifeln war.
Dennoch war die Antwort empoertes Getoese im Parlament. Zitat aus
dem Parlamentsprotokoll: "Abgeordneter Dr. Fischer (SPOe): Herr
Praesident! Ich wuerde Sie bitten, die Sitzung zu unterbrechen,
eine Praesidialkonferenz einzuberufen, denn es gibt Vorfaelle,
ueber die ein Parlament mit einem Minimum an Selbstachtung und mit
einem Minimum an Gefuehl fuer das, was diesem Land zugemutet
werden kann, nicht voruebergehen kann. (Anhaltender Beifall bei
SPOe, OeVP und FPOe.)"

Wabl wurde nicht wegen Wiederbetaetigung angezeigt - erstens weil
Wabl immun war, zweitens aber auch, weil ein Prozesz
wahrscheinlich selbst diesem Staat doch ein bisserl zu bloed
gewesen waere und man damit noch mehr Staub aufgewirbelt haette.
Die Empoerungskaskaden zeigen aber dennoch die Grundhaltung: Du
sollst uns nicht an die Nazis erinnern, indem du uns ihre Symbole
vor die Nase haeltst. Das kannst Du am Theater machen oder in
einer Fernsehdokumentation, wenn wir damit rechnen und uns darauf
eingestellt haben und alles im vorgegeben Rahmen stattfindet -
aber doch nicht in der freien Wildbahn der Politik.
Aber das ist Schnee von gestern. Sollte man meinen. Man haette
geglaubt, dasz nach alldem, was passiert ist in der Republik in
diesen 14 Jahren seit der Wahl Waldheims zum HBP und Haiders zum
FP-Obmann, man sich endlich im klaren darueber ist, dasz man reden
und benennen musz und nicht schweigen. Die Anzeige Kramars beweist
das Gegenteil. Nicht, dasz ich glaube, dasz Kramar wirklich
verurteilt wird. Denn Anzeigen wegen Verwendung der Nazi-Symbolik
bei Protest- oder Kunstaktionen gab es schon haeufig, meines
Wissens ist aber noch nie jemand wirklich deswegen verurteilt
worden. Dennoch liegt die Symptomatik klar zu Tage.

*

Am 8.Mai 1945, am selben Tag, als das deutsche Reich kapitulierte,
wurde das Verbotsgesetz von der provisorischen Bundesregierung
beschlossen. Damals war es notwendig zum einen, um sich gegenueber
den Allierten von den Nazis loszusagen, zum anderen, um ein damals
durchaus moegliches Wiedererstarken unter der selben Symbolik zu
vermeiden.

Diese Angst davor, dasz jemand das Hakenkreuz an die Wand malen
koennte, resultiert aber auch aus der zwingend notwendigen
Interpretation des Verbotsgesetzes. Denn da gibt es zwei
Moeglichkeiten: eine inhaltliche oder eine formale Auslegung. In
den ersten Jahren der Republik, wo trotz Besatzung eine
Rekonstruktion des Nationalsozialismus in seinem alten Habitus
noch zu Recht als einzige vorstellbare Chance faschistisch
gesinnter Aktivisten vorstellbar war, fielen Form und Inhalt
tatsaechlich noch in eins. Mit der Zeit und auch der zaehen
Aufarbeitung der Geschichte wird der Nazifaschismus und die
Moeglichkeit seiner habituellen Rekonstruktion aber immer weniger
zu einer Option fuer nach dem Krieg geborene heimattuemelnde und
rassistische Demagogen. Dem kam auch das Verbotsgesetz entgegen,
da es ja nur die Formalrekonstruktion des Nationalsozialismus
verbot. Den Buchstaben des Gesetzes folgend - und ausgestattet mit
einiger Ignoranz gegenueber juristischen Prinzipien - haette man
das Verbot auch inhaltlich anwenden koennen. Doch haette das
tatsaechlich einer Gesinnungsjustiz entsprochen, deren Grenzen
vollkommen unklar gewesen waeren. Haette man der oesterreichischen
Justiz ueberantwortet, frei zu entscheiden, wer ein Nazi ist und
wer nicht, waere der Miszbrauch des Gesetzes absehbar gewesen. Da
war es sicher noch besser, das Gesetz lediglich zur
Kriminalisierung der Nazisymbole zu verwenden.

Spaeter wurde das Gesetz aber zu einer willkommenen Ausrede, sich
nicht um faschistische Bewegungen kuemmern zu muessen. Es galt das
Prinzip: Bei uns ist das ja eh verboten, und wer kein Hakenkreuz
verwendet, ist auch kein Nazi. Denn wenn jemand ein Nazi waere,
saesze er eh im Gefaengnis. Punktum. Und wenn daher jemand einen
anderen "Nazi" schimpft, dieser aber nicht wegen Wiederbetaetigung
verurteilt worden ist, kann dieser Leider-nein-Nazi klagen - wegen
Verleumdung. Weil das Verbot den Nazi-Vorwurf zum Vorwurf einer
mit Strafe bedrohten Handlung macht. Was - neben der obenerwaehnte
Kriminalisierung der antifaschistischen Hakenkreuzverwendung - das
Verbotsgesetz in der Praxis zu einem Gesetz machte, das man gegen
Antifaschisten anwenden konnte.

Das Volk dieses Landes hat statt einer antifaschistischen
Grundhaltung einen Ekel entwickelt vor dem nationalsozialistischen
Habitus. Nicht ein demokratischer Impuls treibt diesen formal-antifaschistischen
Affekt, sondern die Angst vor einer Wiederkehr
des Alten. Damit kann man etwas gegen bloede Nazis erreichen, die
meinen, die alte Symbolik noch gebrauchen zu koennen; nicht aber
gegen schlaue. Und die schlauen sind ja wohl die gefaehrlicheren.
Dasz man mit dieser Art von politischem Ekel neofaschistische
Tendenzen mit anderem habituellen Gestus eher unterstuetzt hat als
geschaedigt, kann bei Betrachtung der politischen Gegenwart wohl
angenommen werden.

*

Man wollte jahrzehntelang einfach nicht mehr an all das erinnert
werden. Daran hatten weder die Taeter (wegen ihrer Angst vor
Strafe) noch die meisten Opfer (wegen ihrer Traumatisierung) ein
Interesse. Mittlerweile redet man davon, aber die Verdammnis gilt
immer noch der Vergangenheit und dem Gegenwaertigen, wenn es sich
aeuszerlich mit den Vergangenen vergleichen laeszt. Die hilflos-
hysterischen Vergleiche Haiders mit Hitler, die Buerstenbaertchen
auf Haider-Plakaten liegen genau in diesem Trend. Die (unter
anderem eben auch durch das Bilderverbot erfolgte) Erhoehung und
Mystifizierung des Nationalsozialismus kann nur zu einem Rekurs
auf diese Bilderwelt fuehren, da sie dadurch als einzige starke
Abbildungsmoeglichkeit von Faschismus und Totalitarismus
erscheint.

Diese Republik liegt, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, immer
noch im Bann der Faszination der Hitlerschen
Propagandamaschinerie. Die Symbole und das Menschenbild der Nazis
sind fuer viele immer noch viel zu stark verknuepft, als dasz
dieses Menschenbild ohne diese Symbole fuer moeglich erscheint.
Wer aber verzweifelt versucht, Haider zum Antisemiten und
Gaskammerleugner zu stempeln, nur weil es ohne diese Attribute
keinen Hitler und damit keinen Faschismus geben kann, wird auf
lange Frist kaum Chancen haben, glaubwuerdig zu argumentieren. Und
das kann einem heute dringend notwendigen Antifaschismus nicht
wirklich helfen. *Bernhard Redl*




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