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Aussendungszeitpunkt: 8.3.2000; 14:00
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In eigener Sache/Chaovali-Debatte:

>Brief aus Stein

Der folgende Brief erreichte uns aus der Strafanstalt Stein. Wir
haben versucht, ihn sprachlich in eine besser verstaendliche Form
zu bringen, ohne ihn zu zensurieren. (Das Original ist in der
Redaktion einsehbar.)

Wir sind nicht einverstanden mit dem Inhalt des Schreibens, weil
es uns als ein ungeheurer Zynismus erscheint, von "nur zwei Toten"
auf dem Flughafen zu sprechen.

Die Rechtfertigung, sie haetten den Start eines mit Waffen
beladenen Flugzeugs verhindern wollen, ist fuer uns nicht
nachpruefbar und gehoert wahrscheinlich in den Bereich der
Weltverschwoerungstheorien.

Herr Chaovali wurde in keinem Akin-Artikel als "Raubtier"
bezeichnet.

Zur Frage, ob Morde aus politischen Motiven mit denen aus anderen
(niederen) Motiven gleichgestellt seien, ist zu sagen, dasz der
Mord an einem Diktator nicht gleichzusetzen ist mit der Ermordung
unbeteiligter Passanten. Dies stand in dem Brief aber nicht zur
Debatte.

Wir koennen auch nach der Lektuere und Diskussion des Briefes
nicht verstehen, wieso die Ermordung zufaelliger Passanten in Wien
die Situation des palaestinensischen Volkes verbessern koennte.
Dennoch dokumentieren wir den Brief aus verschiedenen Gruenden:

Erstens ist dies fuer den inhaftierten Autor Saadaoui eine der
wenigen Moeglichkeiten, in eine Debatte einzutreten. Zweitens ist
uns eine authentische Darstellung der Motive fuer eine extreme
Handlung wichtig, obwohl wir sie nicht billigen und akzeptieren
koennen. Drittens erscheint uns dieser Brief -- auch wenn das
paternalistisch klingen mag -- ein Beleg dafuer zu sein, dasz
diese Attentaeter tatsaechlich so denken, wie wir immer dachten,
dasz sie denken. *Die Redaktion.*

***

Offener Brief an Akin
Replik auf Chaovali-Debatte
(Akin Nr.4,27.Jg, Akin Nr.6,27.Jg.)

Abs. Saadoui A.Mongi
StVA Stein

Sehr geehrte Akin-Redaktion,
Ich beziehe Ihre Zeitschrift ueber meinen langjaehrigen
Kampfgenossen und Freund Chaovali und lese sie mit Begeisterung,
da Sie der Problematik ein Gesicht geben und nicht der Wahrheit
gegenueber die Augen schlieszen oder gar negieren wie Ihr Kollege
von der Kronenzeitung. Redakteur Bernhard Redl und seine
unabhaengige Zeitung ist in allen Belangen, moralisch als auch
politisch, dienlich dem Zionismus!

Deshalb richte ich dieses Schreiben an den Herrn Redl, um den
Beitrag Eurer Zeitschrift ueber meinen Kampfgenossen Chaovali zu
debattieren.

Obwohl ich mit meinem Kampfgenossen Chaovali den Anschlag
durchfuehrte, bin ich in der Oeffentlichkeit unbekannt, doch nun
ist es an der Zeit, auch meine Stimme gegen die verleumderische
Kampagne gegen den Kampf meines Volkes zu erheben. Auch ich bin
mit den widrigsten Behandlungen und Diskriminierungen von seiten
des Staatsapparates in den Gefaengnissen vertraut, und dies in
einem Staat wie Oesterreich, in dem die Menschenrechte zugleich
respektiert und negiert werden: sehr wohl raeumt das UNO-Abkommen
den Palaestinensern das Recht auf einen eigenen Staat ein, und
genau dieses Recht zur Verteidigung unseres besetzten und
gestohlenen Landes nehmen wir uns. In der Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg haben wir durch bewaffnete juedische Terroristen und mit
Hilfe der europaeischen Laender und Amerikas unser Vaterland
verloren, der freie und demokratische Staat Israel wurde auf
Kosten eines anderen Volkes, das sich seit Tausenden Jahren dort
befindet, gegruendet. Entspricht das nicht der Wahrheit ueber die
Palaestinenser, die Sie negieren, Herr Redl? Oder besitzen Sie die
Frechheit, diese Tatsachen zu verdrehen, indem Sie die Kaempfer in
Verruf bringen und sie in einem Atemzug mit Verbrechern
gleichstellen, Moerder um des Mordes willen? Aber steht es den
Palaestinensern nicht zu, fuer ihr Vaterland und Volk zu kaempfen?

Wir verueben keine Anschlaege, um Unschuldige zu toeten. Warum
haetten wir uns sonst die Muehe gemacht, nach Schwechat zu fahren,
um erst dort unsere Aufgabe zu erfuellen, die Sie als Massaker
bezeichnen, in der nur zwei Menschen ums Leben kamen. Haetten wir
ein Massaker verursachen wollen, haetten wir ganz einfach eine
beliebige belebte Strasze in Wien aufgesucht, und dort ein
Massaker begonnen. Wir nehmen sehr wohl Ruecksicht auf
Unschuldige, da wir sehr wohl wissen, was Mord an Unschuldigen
bedeutet, mehr, als Sie es sich vorstellen koennen. Aber wir
begaben uns auf den Flughafen und nicht auf Ihre Straszen, da das
abreisefertige israelische Flugzeug mit oesterreichischen Waffen
beladen war, als Geschenk an das juedische Volk, obwohl die
oesterreichische Verfassung strikt untersagt, Waffen an
kriegfuehrende Laender zu veraeuszern. Was, glauben Sie,
finanziert die Wiedergutmachung, die Oesterreich an Israel zahlt?
Mit Sicherheit koennen weder Sie, noch die Regierung dies derOeffentlichkeit
preisgeben.

Ihrem Schreiben in der Akin zufolge haben Sie uns angegriffen und
bezeichnen Chaovali als Raubtier. Die Gefaengnisse sind seitens
ihrer Leitung und der Untergebenen voll Hasz und Rassismus gegen
die Palaestinenser. Vom Leiter der JVA Karlau wurden mir jegliche
Rechte verweigert, die allen anderen Insassen zugesprochen wurden.
Als ich ihn in einem persoenlichen Gespraech als Faschisten
bezeichnete, negierte er dies und bezichtigte mich als Moerder
Unschuldiger. Meine Antwort war, ob alle die Moerder hier nur
Verbrecher getoetet haetten, weil sie eine bessere Behandlung
erhielten als ich. Auf Grund dieser Antwort wurden mir meine
Rechte zugesprochen.

In meinen Arbeitsbereich wurde ein Staatsbuerger Israels
eingeteilt. Nach kurzer Zeit wurde er auch in meinen Haftraum
eingeteilt. Aus diesem Grund habe ich den Leiter der JVA gefragt,
was er damit bezwecke. Seine Anwort war, ich sei jedem anderen
gleichgestellt und kein politischer Gefangener. Nun meine Frage an
Sie, Herr Redl: was waere, wenn dieser Israeli mich oder ich ihn
umgebracht haette?

Wie wuerde die oesterreichische Regierung einen derartigen Fehler
seitens ihrer Handlanger rechtfertigen? Was haetten Sie in Ihrer
Rubrik geschrieben?

Wer ist Ihrer Meinung nach ein Moerder, einer, der einen Menschen
aus Lust oder zum Zweck der Bereicherung umbringt, oder wir, die
wir fuer die Befreiung unseres Landes, das uns gestohlen wurde,
kaempfen? Sind diese Morde gleichgestellt? *Mongi A. Saadaoui*


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