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Aussendezeitpunkt: Di, 16.11.99, 15:02 *
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WTO:

> Die Sache mit der Gleichheit

Fuer, nicht gegen ein weiterentwickeltes Welthandelsrecht gilt es
heute zu kaempfen. Das macht die Sache nicht gerade einfacher...

*

Waehrend hierzulande unter groszer medialer Anteilnahme nationale
Regierungsspekulationen gemacht werden, wird Ende November in
Seattle tatsaechlich handfeste Politik gemacht: Mit der 3.WTO-
Ministerkonferenz beginnt die "Milleniumsrunde" der
Welthandelsorganisation.

Diese erste Konferenz der Runde (der letzte Verhandlungsabschnitt,
"Uruguay-Runde" genannt, dauerte rund 8 Jahre) beschaeftigt sich
mit einer Ausdehnung des geographischen Geltungsbereichs (der
Beitritt Chinas ist bereits beschlossene Sache) als auch des
rechtlichen Bereiches: Oeffentliche Vergabemodalitaeten sollen
nationalen Beschraenkungen entzogen werden, Dienstleistungen
liberalisiert, Investitionen und geistiges Eigentum weltweit einem
besseren Schutz unterworfen werden. Diese Agenda ist natuerlich
aeuszerst kritisierenswert, schlieszlich werden damit nationale
Beschaeftigungsmasznahmen genauso torpediert wie billige
Pharmazeutika in Drittweltstaaten, wo Lizenzansprueche der
Weltkonzerne bislang oft ignoriert wurden. Von der geplanten
Implementierung der Bestimmungen des gescheiterten
Investitionsschutzabkommens MAI gar nicht zu reden.

Doch die WTO ist tatsaechlich nicht so zu akzeptieren wie sie ist.
Der eigentliche Skandal ist das, was nicht zur Debatte steht: Die
von Umweltschutzlobbies, Menschenrechtsorganisationen und
Gewerkschaften eingeforderte Beachtung der Produktionsbedingungen.
Denn die WTO hat den Grundsatz der Gleichbehandlung "gleicher
Produkte" ("like products"). Die Definition dieser "Gleichheit"
ist eine des Endprodukt-Denkens. Wie das Produkt zustandekommt, ob
jetzt in Maquiladoras mit viel Kinderarbeit und Gift einerseits
oder gewerkschaftlich abgesichert, kontrolliert durchs
Arbeitsinspektorat und mit vorhergehender Umweltschutzpruefung
andererseits ist fuer die Entscheidung der WTO-Gerichte
irrelevant. Die Staendige Vertretung Oesterreichs bei der WTO
liesz einmal verlautbaren: "WTO-Panels entscheiden in
umweltrelevanten Themen nicht selbst, weil sich der
Anwendungsbereich der WTO-Streitbeilegung naturgemaesz auf die von
der WTO umfaszten Abkommen wie das GATT, GATS, TRIPS usw. bezieht
und das Panel nur zur Entscheidung ueber diesbezuegliche
Rechtsverletzungen befugt ist." Tatsaechlich aber akzeptiert die
WTO Wirtschaftsschranken nicht, die wegen arbeits- und
umweltrelevanten Fragen eingefuehrt werden sollen -- ganz egal
welche Bestimmungen andere internationale Abkommen besagen.
Waehrend arbeitsrelevante Fragestellungen in der Agenda fuer die
Milleniumsrunde eigentlich gar nicht debattiert werden sollen, ist
die Einbindung von Umweltschutzabkommen sehr wohl auf dem Tapet.
Bislang allerdings war von der WTO nichts davon zu hoeren, diesen
einen schlagkraeftigeren Status als nur vage Absichtserklaerungen
zu geben.

Die Moeglichkeit auf diesbezueglichen Protektionismus in den WTO-
regulierten Bereichen besteht fuer eine nationale Gesetzgebung
lediglich in einer Nichtmitgliedschaft bei der WTO -- was sich
aber wegen der Bedeutung der WTO mit ihren bislang 128
Mitgliedsstaaten verheerend auf die nationalen Exportwirtschaften
auswirken musz.

Kurzfristig waere eine Hineinnahme der Beachtung von
Produktionsmethoden in die Definition der "gleichen Produkte"
durchaus im Sinne der Industriestaaten und ihrer
Wirtschaftslobbies (das oesterreichische Wirtschaftsministerium
wird ja nicht muede, den NGOs zu erzaehlen, dasz sie sich eh ganz
vehemment dafuer einsetzten) --schlieszlich geraten die
Produktionsstandorte in den reichen Staaten wegen ihrer
diesbezueglich rigideren Bestimmungen ins Hintertreffen.
Langfristig aber ist es klarerweise kein Anliegen der "westlichen"
Wirtschaftslobbies, die Regulierungen der Industriestaaten auf die
gesamte Weltwirtschaft auszudehnen: Zum einen deswegen, weil ihnen
natuerlich eine durch den "Standortwettbewerb" erzwungene
Deregulierung sehr am Herzen liegt, zum anderen um ihre
Investitionen in den "Entwicklungslaendern" und den
"Reformstaaten" nicht zu gefaehrden.

Es wird also an den NGOs liegen, differenzierte Kampagnen
bezueglich der WTO-Verhandlungen zu fuehren -- ein Beharren auf
einem reinen "Nein"-Standpunkt (wie es beim MAI opportun war) wird
nicht reichen. Zu befuerchten ist nur, dasz ihnen hierzulande
sowieso keiner zuhoeren wird -- denn in Oesterreich wird ja doch
nur wieder darum gestritten werden, welcher Partei jener
Wirtschaftsminister angehoeren soll, der letztendlich sein "Ja und
Amen" zu den verschlimmerten WTO-Bestimmungen abgeben wird.
*Bernhard Redl*


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