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Aussendezeitpunkt: So, 07.07.99, 14:42 *
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EU/Frankreich/Arbeitslose:
 
> Un revenu c'est un dû
 
Fuer den Druck ueberarbeitetes Manuskript einer Rede von
*LARA WINTER* von der franzoesischen Sozialbewegung "AC!", gehalten
im Wiener "Amerlinghaus" bei der Veranstaltungsreihe "ARBEITistARBEIT"
 
*
 
Es gibt 20 Millionen Arbeitslose und 50 Millionen Menschen in
prekaeren Arbeitsverhaeltnissen in Europa und noch viel mehr auf
der ganzen Welt; im Norden wie im Sueden waechst die Armut.
 
- Gibt es heute noch Moeglichkeiten fuer "Arbeit fuer Alle" so wie
vor 20 oder 30 Jahren? In der Produktion, in der Technologie, in
der heutigen Gesellschaft?
 
- Mit 39 Stunden pro Woche? 35 oder 32 oder noch weniger ?
 
- Wie koennen wir den Bruch der Gesellschaft bekaempfen? Hier ein
Teil, der immer reicher wird, da ein Teil, der zuwenig bekommt, um
normal zu leben, und der immer groesser wird.
 
- Wie kann eine neue Verteilung der Vermoegen der Welt erstehen?
 
Koennen wir denn noch lange erlauben, dass die neoliberale
Invasion, das Einheitsdenken, die Globalisierung ohne
Basiswiderstand die einzige politische Moeglichkeit bleibt? Gibt
es keine andere Politik als den Kapitalismus?
 
AC! hat schon 1995 verstanden, dass die Arbeitsgesellschaft und
damit auch der Kapitalismus so nicht weiterexistieren werden. Die
Diskussionen gingen stark um Arbeitsplaetze. Mit Schwierigkeiten
einigten wir uns auf die Forderung nach zwei Loesungen:
 
- R.T.T. - Kuerzere Arbeitszeit
 
- Revenu décent pour tous: Einkommen fuer Alle, damit jeder nach
seinem Rhythmus und nach seinem Ansprueche leben kann.
 
Seit Amsterdam 1997, ein europaeisches Netzwerk der Erwerbslosen
und ungeschuetzte Beschaeftigten (EUROMARSCH) baut sich auf gegen
Konvergenz und Stabilaetspakt der EU, gegen Waehrungsunion und
Diktat der Europaeische Zentralbank die die Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Erwerbslosen wie der abhaengig
Beschaeftigen verschlechtern, gegen Privatisierung und Abbau im
oeffentlichen Dienst, gegen Schengener Abkommen und Abschiebung
von MigrantInnnen und Fluechtlingen. Dieses Netzwerk hat die
selben Forderungen wie AC!
 
Jetzt geht es um Multiaktivitaet und Selbstaendigkeit. Die
Freizeit hilft, die Arbeit aus der Macht des Kapitalismus und der
Oekonomie zu entziehen um eine kulturelle Gesellschaft anstatt
eine Arbeitsgesellschaft aufbauen.
 
Was ist wichtiger, Angebot oder Nachfrage? Die neue Gesellschaft
wird mit den Konzept "Nachfrage" gebaut. Da wird neue "Arbeit"
entstehen, die die Beduerfnisse der Menschheit befriedigt, wo kein
Profit moeglich ist und der Markt nicht interessiert ist:
- Ausbildung und Wissen (persoenlichen Zweck und Arbeit)
- Gesundheit (auch als Vorsorge)
 
- Umwelt
 
- Freizeit.
 
*
 
Die Finanzmittel fuer ein Einkommen ohne Arbeit wird man schon
finden:
 
- andere Verteilung der Vermoegen (wie ATTAC und Tobin-Steuer)
 
- mit gegenseitiger solidarischer Verwaltung durch Vereine.
 
Man soll nicht vergessen wieviel die Arbeitslosigkeit heute
kostet: zum Beispiel in Frankreich, 1000 Milliarden Francs, damit
koennten 5.000.000 Arbeitslose ein normales Einkommen kriegen.
 
Nach dem Koelner Gipfel ist es ganz klar, dass die Politik der EU
im Punkte der Arbeit einen ganz anderen Weg nehmen wird, nicht nur
weil T. Blair und G. Schroeder das laut gesagt haben, aber weil
andere wie Jospin es praktizieren mit dem 35 Stunden-Gesetz ("Loi
Aubry"). Der "Monde" titelte ueber die Situation bei Renault:
"Reduzierung auf 35h bringt 6000 neue Arbeitsplaetze" -- Aber im
Artikel erfaehrt man, dass in der selben Zeit 10.000 in die
Fruehrente entlassen werden. Dieses Gesetz bringt Flexibilitaet -
jederzeitige Verfuegbarkeit - und Saisonarbeit. Das alles mit der
"Hilfe" vom Staat: 5 Jahre lang kriegen die Betriebe von 9000F
(das erste Jahr) bis 5000F fuer jeden neuen Arbeitsplatz. Und das
Geld soll von der UNEDIC kommen, d.h. vom Arbeitslosengeld.
 
Die Arbeitslosigkeit ist um 1,5% in Frankreich gefallen. Wie?
 
- Emploi Jeunes (Jugendbeschaeftigung), aber mit minimlstem
Lohn,
 
- Ungeschuetzte und Teilzeitbeschaeftigung, am meisten fuer
Frauen: 3.700.000, davon 3.000.000 Frauen die zwischen 2500 und
4000 F pro Monat bekommen
 
- Arbeitszwang fuer Erwerbslose und Sozialhilfempfaenger
 
Alles in allem: "Workfare" in Vorbereitung in Frankreich, was in
England schon Realitaet ist.
 
*
 
Die Globalisierung bringt heute immer mehr Produktivitaet und
immer mehr Verdienst fuer die Aktionaere. Aber das bedeutet auch
Privatisierung und Zusammenlegung der grossen Gesellschaften,
massive Entlassungen In einigen Jahren werden in jeder Branche nur
2 oder 3 grosse Gesellschaften verbleiben und das Monopol haben.
 

Das bedeutet Angst um den Arbeitsplatz, das erlaubt geringe Loehne
und wenig Streikmoeglichkeit, um seine Arbeit nicht zu verlieren.
Im wesentlichen bewegen sich die Forderungen der Erwerbslosen und
prekaer Beschaeftigten um den Anspruch auf ein Existenzrecht,
unabhaengig vom Arbeitsplatz. Eine Lohn- und Geldforderung auf
diesem Gebiet ermoeglicht, eine strukturierende Achse fuer unsere
politischen Intervention zu definieren. Die Forderung eines
garantierten Einkommens fuer alle ermoeglicht es, an das Erreichte
aus der frueheren Arbeitslosenbewegungen anzuknuepfen, als auch
das Verweigern der Erwerbslosigkeit wieder in eine globale
Perspektive der Kritik der Lohnarbeit zu integrieren.
 
In AC! wurde definiert dass die Hoehe dies garantierten
Mindesteinskommen fuer alle auf Hoehe des SMIC (d.h.; der frz.
monatliche Mindestlohn) sein soll. In Koeln, wurde gewuenscht dass
es das Aequivalent von 1000 Euro sei (oder wie die Deutschen
sagten 750 Euro und Warmmiete)
 
Unsere Foerderungen in Koeln waren:
 
* ein garantiertes individuelles Einkommen, das jedem erlaubt in
Wuerde zu leben;
 
* die massive Schaffung neuer, sozial und oekologisch nuetzlicher,
tariflich gesicherter und entlohnter Arbeitsplaetze;
 
* sofortige Reduzierung der Arbeitszeit in ganz Europa, mit
entsprechenden Neueinstellungen, ohne Lohn- und Kaufkraftverlust
und ohne Flexibilisierung.
 
*
 
Wir fordern das Recht auf Arbeit und Einkommen, aber wir wollen
damit auch die Debatte ueber die Ueberwindung eines
Wirtschaftsmodells anstossen, das uns abhaengig macht von den
Entwicklungen des Wettbewerbs.
 
Wir, in Frankreich, sagen: Un emploi c'est un droit, un revenu
c'est un dû. D.h.: Arbeit soll jeder bekommen, Einkommen muss
jeder bekommen.
 
--
 
*siehe auch Kasten in anliegender Mail*
 
 
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