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Aussendezeitpunkt: Di, 22.06.99, 15:39 *
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NS-Aufarbeitung:
 
> Ergaenzung fuer Denkmal am Morzinplatz
 
Ein sechs Meter langer Balken vor dem Denkmal zeigt die
vergessenen Winkel
 
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Das Oesterreichische Lesben- und Schwulenforum (OeLSF) "ergaenzte"
im "Moment der Stille" waehrend der samstaeglichen
Regenbogenparade 1999 das Denkmal zum Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus am Morzinplatz durch das Anbringen eines
Balkens, der die bisher "vergessenen" Winkel zeigt und somit das
Erinnern an die bisher ebenso vergessenen Opfergruppen einmahnt.
 
Zahlreiche Opfergruppen des Nationalsozialismus, die in den
Konzentrationslagern zu unmenschlicher Arbeit gezwungen, gefoltert
und ermordet worden sind, blieben und bleiben von oeffentlicher
Erinnerung ausgeschlossen: die sogenannten "Asozialen" (unter
ihnen die meisten Frauen, die aufgrund des Vorwurfs der
Homosexualitaet in die Lager verschleppt wurden), die
"Kriminellen", die Zeugen Jehovas sowie die als homosexuell
beschuldigten Haeftlinge der Konzentrationslager - die Maenner mit
dem rosa Winkel.
 
Ausgeschlossen sind jene aber nicht nur von der oeffentlichen
Erinnerung wie Mahnmalserrichtungen oder offiziellen Reden,
sondern auch vom offiziellen Opferstatus und somit von der
gesellschaftlichen Anerkennung und der finanziellen Entschaedigung
fuer ihr erlittenes Unrecht.
 
Auch heutige Mahnmals-Errichtungen perpetuieren die Hierarchie der
NS-Opfer. So werden gegenwaertig in zahlreichen Staedten Schoa-
Mahnmale zur Erinnerung an die ermordeten Juden der jeweiligen
Stadt, des Landes oder auch ganz Europas (Berlin) errichtet. Ueber
den Einbezug anderer Opfergruppen in die Mahnung wurde in Wien
nicht, in Berlin kaum diskutiert.
 
Leopold Grausams Denkmal am Morzinplatz, dem Ort der ehemaligen
Wiener Gestapo-Zentrale, ist ein gutes Beispiel fuer die langsame
Entwicklung des Gedenkens an die NS-Opfer: 1957 wurden gerade mal
zwei Winkel - der rote fuer die "Politischen", der gelbe
"Judenstern" fuer die verfolgten Juden - auf dem Denkmal
angebracht.
 
Am jetzt angebrachten Balken befinden sich Darstellungen jener
Winkel, die an den Haeftlingsuniformen der Konzentrationslager
angebracht waren, in jenen Farben, die die Haeftlinge als
"Asoziale", "Kriminelle", "Zigeuner", "Bibelforscher" oder
"Homosexuelle" kennzeichneten (rosa, schwarzer, gruener, violetter
und brauner Winkel).
 
Das weitere Schicksal dieser dringend noetigen Denkmalsergaenzung
wird zeigen, wie grosz die Bereitschaft der oeffentlichen
Erinnerung geworden ist, dieser Opfer zu gedenken. Dem Gesetz
zufolge mueszte dieses zusaetzliche Zeichen der Erinnerung
weggeraeumt werden, als Muell, wenn nicht als sachbeschaedigende
Stoerung des Stadtbildes. Nur eine politische Intervention
Buergermeister Haeupls, der immerhin den Ehrenschutz der heurigen
Regenbogenparade uebernommen hat, koennte die Entfernung des neuen
Mahnmals verhindern, eine Intervention, die zeigen wuerde, dasz
die Stadtregierung die Mahnung an jene vergessenen Opfer des NS-
Regimes fuer wert und wichtig befindet, an die Bevoelkerung Wiens
weiterzugeben. Eine solche Intervention bedeutete endlich ein
offizielles Eingestaendnis der Stadt, dieser Verbrechen an
Unschuldigen zu gedenken und sie fuer die Zukunft verhindern zu
wollen.
 
Am Sonntag war der Balken noch da. Verbleib oder Nicht-Verbleib
werden zeigen, wie sehr die Stadt Wien bereit ist, auch die
Verfolgung und Ermordung von "Asozialen", "Kriminellen", Sinti und
Roma, Lesben und Schwulen oeffentlich zu bereuen und wie sehr sie
sich einsetzt, auch jene Opfer in ihre oeffentliche Erinnerung
miteinzubeziehen. *OeLSF/gek.*
 
Info: Diana Voigt 533 31 91, Hannes Sulzenbacher 0664/211 16 24.
 
 
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